Freitag, 3. März 2017

Prozeßerfahrene zweifeln an Gleichbehandlung

Köln. Das deutsche Rechtssystem gilt als eines der besten der Welt – und doch gibt es aus der Bevölkerung massive Kritik. Laut ROLAND Rechtsreport 2017 sind vier von fünf Deutschen (80 Prozent) der Auffassung, die Verfahren an den Gerichten dauerten zu lange. 73 Prozent glauben, die Gerichte seien ganz allgemein überlastet.
Die Studie in Kooperation mit dem Institut für Demoskopie Allensbach untersucht alljährlich die Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem und zur Mediation. 2017 wurde zudem analysiert, wie sehr sich die Bürger derzeit durch den Terrorismus bedroht fühlen und wie sie die innere Sicherheit in Deutschland bewerten.
Steigende Kritik an langen Verfahren und überlasteten Gerichten
Ob lange Verfahren oder überlastete Gerichte: Beide Kritikpunkte werden heute wesentlich häufiger geäußert als noch vor einigen Jahren. So gaben 2010 noch 74 Prozent an, dass gerichtliche Streitigkeiten ihrer Meinung nach zu lange dauern – das sind sechs Prozentpunkte weniger als 2016. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil derer, die die Gerichte für überlastet halten, sogar um 13 Prozentpunkte.
Neben den bereits genannten Wermutstropfen stößt der Bevölkerung auch die als ungleich empfundene Behandlung vor Gericht auf. Fast zwei Drittel (62 Prozent) sind überzeugt, man könne seine Chancen auf ein günstiges Urteil steigern, wenn man Geld für einen renommierten Anwalt hat. Außerdem glauben 57 Prozent der Deutschen, dass die Rechtsprechung generell uneinheitlich ist und vor allem vom zuständigen Gericht abhängt.
Auch die Gesetzgebung betrachten viele als verbesserungswürdig. 60 Prozent der Bürger finden die Gesetze viel zu kompliziert, ein normaler Bürger kann sie in ihren Augen nicht verstehen. Davon abgesehen fordern die Deutschen härtere Strafen: 49 Prozent halten die Urteile der Strafgerichte für zu milde. Das gilt insbesondere in Bezug auf jugendliche Straftäter. 58 Prozent wünschen sich hier ein strengeres Durchgreifen der Justiz.
Prozesserfahrene bezweifeln Gleichbehandlung besonders stark      
Gerade diejenigen, die in den letzten zehn Jahren bereits an einem Prozess beteiligt waren – sei es als Kläger, Beklagter oder Zeuge – gehen mit bestimmten Aspekten des deutschen Justizsystems besonders hart ins Gericht. 69 Prozent der Prozesserfahrenen sind sicher, dass ein bekannter Anwalt die Chancen auf ein günstiges Urteil erhöht. Von den Bürgern ohne eigene Gerichtserfahrung sehen das nur 61 Prozent so. Darüber hinaus denken ebenfalls 69 Prozent derjenigen, die schon einmal bei Gericht waren, dass das zuständige Gericht Strafmaß und Urteil maßgeblich beeinflusst. Nur 53 Prozent derjenigen ohne Prozesserfahrung teilen diese Auffassung.
Übrigens: Mit 76 Prozent ist die Mehrheit der Deutschen in Sachen Gerichtserfahrung ein unbeschriebenes Blatt. 17 Prozent waren in den vergangenen zehn Jahren einmal an einem Prozess beteiligt, weitere sieben Prozent sogar mehrfach.  


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