Donnerstag, 20. April 2017

Kommerzielle Leihmutterschaft verstößt gegen wesentliche Grundsätze des nationalen Rechts

 Oberlandesgericht Braunschweig lehnt Anerkennung einer US-Gerichtsentscheidung zur rechtlichen Elternschaft ab
Mit Entscheidung vom 12. April 2017 hat der 1. Familiensenat des Oberlandesgerichts Braunschweig die Anerkennung der rechtlichen Elternschaft eines Ehepaares für zwei in den USA von einer Leihmutter ausgetragene Zwillingskinder abgelehnt. Das Gericht hat sich damit zugleich gegen die Anerkennung der - ihre rechtliche Elternschaft begründende - Entscheidung eines US-Gerichts im Bundestaat Colorado ausgesprochen.
Das in Deutschland lebende Ehepaar schloss - vermittelt über eine Agentur - mit der späteren Leihmutter und ihrem Ehemann in den USA einen Vertrag zur entgeltlichen Schwangerschaftsaustragung. Ein US-Gericht im Bundesstaat Colorado entschied auf dieser Grundlage noch vor der Geburt der Zwillingskinder, dass das deutsche Ehepaar als Auftraggeber der Leihmutterschaft nach der Geburt der Kinder zu deren rechtlichen Eltern bestimmt sei. Die in Colorado ausgestellten Geburtsurkunden der von der Leihmutter ausgetragenen Zwillingskinder weisen das deutsche Ehepaar als rechtliche Eltern aus. Diese leben seit Ende 2011 gemeinsam mit den beiden Kindern in Deutschland.
Nach Auffassung des Gerichts würde eine Anerkennung der Entscheidung des US-Gerichts zu einem Ergebnis führen, das mit den wesentlichen Grundsätzen des nationalen Rechts unvereinbar wäre. Die rechtliche Elternschaft könne nach deutschem Recht grundsätzlich allein auf Abstammung und Adoption, nicht hingegen auf vertragliche Grundlage gestützt werden. Das Ehepaar habe durch die kommerzielle vertragliche Vereinbarung zur Leihmutterschaft für sie erkennbar gegen in Deutschland geltende Verbote nach dem Embryonenschutzgesetz und dem Adoptionsvermittlungsgesetz gehandelt. Diese bewusste Umgehung der nationalen Gesetze durch Ausnutzung der Rechtsordnung eines anderen Staates stehe der nachträglichen Anerkennung eines dem deutschen Recht entsprechenden Elternstatus grundsätzlich entgegen. Der deutsche Gesetzgeber habe bei den gesetzlichen Regelungen zur Grenzziehung der Reproduktionsmedizin erkennbar den Schutz der betroffenen Frauen und der gezeugten Kinder vor damit einhergehenden Gefahren kommerziellen Handelns über die Wünsche von Auftraggebern nach Elternschaft gestellt. Die vertraglich vereinbarte kommerzielle Leihmutterschaft verletze in ihrer konkreten Ausgestaltung in mehrfacher Hinsicht den vom nationalen Gesetzgeber verfolgten besonderen Schutz von Kindern und Müttern, womit gerade den Werteentscheidungen des Grundgesetzes zugunsten der Menschenwürde, des Lebens und der Wahrung des Kindeswohls in besonderer Weise Rechnung getragen werden sollte.
Neben der konkreten Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarungen sowie der Umstände ihres Zustandekommens sei insbesondere der psychischen Bindung der Schwangeren zu ihren ausgetragenen Kindern nur unzureichend Rechnung getragen worden, da die Entscheidung des US- Gerichts in Colorado ohne Anhörung der Leihmutter und noch vor der Geburt ergangen war. 
Hintergrund:
Anlass der Entscheidung des 1. Familiensenats mit Beschluss vom 12. April 2017 (Az.: 1 UF 83/13) war eine Beschwerde des Ehepaares gegen die ihre rechtliche Elternschaft ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts Braunschweig.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache hat der Senat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.



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