Mittwoch, 4. April 2012

Grass frisst's Gras ab? Israel, das Judentum und die Kreuzigung (Überschrift: ip)

Presseinformation:
Landesbischof Ralf Meister zum Gedicht des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass in der Süddeutschen Zeitung vom 4. April 2012 
Zu dem in der Süddeutschen Zeitung vom 4. April 2012 und in zwei weiteren Zeitungen veröffentlichten Gedicht des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass gibt Landesbischof Ralf Meister zu bedenken:

„Jeder darf sagen, was gesagt werden muss. Günter Grass sagt es mit dem ihm eigenen besonderen Gestus in einem Gedicht „Was gesagt werden muss“, das in drei international renommierten Zeitungen erschienen ist. Für den gealterten Autor erscheint dieses Geständnis wie ein testamentarisches Fragment.

Doch der Aufruf zum Aussprechen der Wahrheit in poetischer Form geht an der Sache vorbei. Es gibt seit vielen Jahrzehnten eine Kritik aus Deutschland an der israelischen Politik und eine Debatte um die atomare Bewaffnung dieses Landes. Und es gab von verschiedener Seite deutliche Bemerkungen zur U-Boot-Lieferung an Israel. Diese Kritik behält, wenn sie von politischer Vernunft geprägt ist, das Existenzrecht des Staates Israel im Blick und bedenkt die politische Situation, in der andere Staaten dieses Existenzrecht bestreiten. Diese Kritik versteckt sich nicht hinter einem lyrischen Ich, das Vermutungen anstellt und sein bisheriges  Schweigen  aufbricht mit einem finalen Habitus.

Dieses Gedicht erscheint in der Karwoche. Für viele, vielleicht auch für Günter Grass, mag dieser Zeitpunkt völlig unerheblich sein. Für mich nicht. In dieser Woche erinnern Christinnen und Christen an das Leiden Jesu. Und es wird darin auch an eine theologische Tradition erinnert, in der die Schuld für die Kreuzigung dem Judentum zur Last gelegt wurde. Diese theologische und kirchliche Haltung hat zur Vernichtung des europäischen Judentums beigetragen. Die Karwoche bleibt eine Zeit für Einsicht in die eigene Schuld. Auch eine Einsicht in die Schuld gegenüber den jüdischen Glaubensgeschwistern. In diese Einsicht bleibt für mich das, „was gesagt werden muss“, gebunden.“

1 Kommentar:

Stefan Wehmeier hat gesagt…

1) Der kämpfende Pazifist, der sich der Größe seiner Aufgabe bewusst ist, wird keinen Unterschied machen zwischen Bürger- und Völkerkrieg, zwischen äußeren und inneren Feinden. Für ihn gibt es nur einen Krieg, nur einen Frieden. Mit gleicher Macht erstrebt er den Frieden nach innen wie nach außen.

2) Der Pazifist, der tiefer in die Beweggründe der Kriege schaut, geht noch einen Schritt weiter in der Beurteilung des Bürger- und Völkerfriedens und sagt, der Kriegsgeist, der Geist der Gewalt, ist ein Kind des chronischen bürgerlichen Kriegszustandes, der die Eingeweide aller Kulturvölker zerreißt. Wer diesen Geist bekämpfen will, muss ihn in erster Linie als Bürger im eigenen Lande bekämpfen. Der Weg zum Völkerfrieden geht über den Weg des Bürgerfriedens und nicht umgekehrt.

3) Das, was die Völker und Volksklassen in Waffen gegeneinander treibt und immer getrieben hat, sind Dinge wirtschaftlicher Natur, die Notzustände schaffen oder vorherrschen lassen, und für diese Zustände gilt das Gesetz: NOT KENNT KEIN GEBOT. Die Not bricht nicht nur Eisen, sondern auch Verfassungen, Verträge und Bündnisse und setzt sich über alle moralischen, ethischen und religiösen Hemmungen hinweg. Nichts ist schließlich der Not heilig als der Kampf gegen ihre Ursachen.

4) Auf die Beseitigung solcher Notzustände hat also der ernsthafte Friedenskämpfer sein Augenmerk zu richten, unbeschadet seiner etwaigen Überzeugung, dass der Frieden oder wenigstens der Friedenswunsch mit moralischen, religiösen und ethischen Mitteln auch noch gefordert werden könne.

5) Der Notzustand, der zu den Kriegen treibt, hat wenigstens bei den heutigen Industrie- und Handelsvölkern seinen Grund nicht in einem naturgegebenen Mangel an Industrie- und Nährstoffen, sondern in unseren gesellschaftlichen Einrichtungen, die die Produktion und den Austausch beherrschen und die Arbeit tributpflichtig machen, wobei der Umstand noch erschwerend wirkt, dass zur Sicherung dieses Tributes der Produktion und dem Tausch Hemmungen bereitet werden müssen, die zu Krisen und Arbeitslosigkeit führen. Die gesellschaftlichen Einrichtungen, um die es sich da handelt, sind das Privateigentum an Grund und Boden und das herkömmliche, aus dem Altertum in unveränderter Gestalt von uns übernommene Geldwesen, dessen Mängel immer offensichtlicher geworden sind. Grund- und Geldbesitzer fordern Zins, sonst sperren sie der Produktion den Boden und dem Austausch der Produkte das Geld. Dieser Zins überträgt sich automatisch auf das gesamte Wirtschaftsleben und schafft das, was als Kapitalismus bezeichnet wird.

Silvio Gesell (Stabilisierung des Bürger- und Völkerfriedens, 1928)

Ein geistiger Tiefflieger wie Günter Grass wird das wohl bis zum Jüngsten Tag nicht mehr begreifen.

http://www.deweles.de/intro.html