Sonntag, 22. Februar 2009

wie blöd kann man eigentlich sein?

da kommt gestern eine lieferantin zu mir und hat ein völlig zerstörtes gesicht wie nach einem afghanistankriegseinsatz, blau angelaufen, notdürftig mit makeup überdeckt.
ich war entsetzt, starr vor schreck. ich dachte an das buch über den schönheitswahn, das ich mehrfach verschenkt hatte. diese frau nun, die da vor mir stand, jenseits der 50, aber immer noch spitzhackenschuh auf barbie machend, murmelt etwas, sie könne aber jetzt ohne brille sehen, offenbar sind auch die augen gelasert worden.
ich war (fast) sprachlos, denn ob man etwas liest oder mit eigenen augen vor sich sieht, ist doch schon ein riesenunterschied.
also mir macht es nichts aus, alt zu werden, im gegenteil, ich werde gern alt. das habe ich auch einer berühmten künstlerin gesagt, die offenbar nebenbei einen vitamin-handel pflegte und mir unbedingt welche andrehen wollte, weil wir doch alle nicht alt werden wollten, nicht wahr?
klar, ich will nicht so gern ins altenheim, das will ja wohl niemand, denn wer steht schon auf käfighaltung. aber gegen das altwerden, verbunden mit dem schwächer werden und krankheiten, habe ich nichts. eine von mir sehr geschätzte freundin, ihres zeichens apothekerin, bestätigte meine haltung:
"Den völlig gesunden Menschen gibt es nicht. Selbst wenn jemand Fitnessstudios besucht und den ganzen Tag Wellness betreibt, wird sich die menschliche Psyche von der Geburt bis zum Tod in den verschiedensten Krankheiten äußern, das ist unvermeidlich. Es geht darum, diese Vorgänge in die eigene Verantwortung zu nehmen, sein Leben zu gestalten, ohne sich jedoch nur noch als reparierbares System zu verstehen. Für manchen Schwerkranken, der im Ausland um sogenannte Sterbehilfe nachsucht, wäre durchaus möglich, mittels moderner Palliativmedizin noch eine sinnvolle Lebensqualität zu erreichen. Allerdings wäre dies für Patient, Arzt und Krankenkasse mit höherem Aufwand an Arbeit und Kosten verbunden, und den scheuen viele.
Bei der Patientenverfügung beispielsweise könnte diese Trägheit im Extremfall dazu führen, dass ein Arzt aufgrund einer solchen Verfügung keine lindernde Behandlung mehr ausführt. Immer mehr Menschen entziehen sich zudem auch der Pflege alter Menschen, eine unmenschliche Entwicklung. Aus sich herauszutreten und zu sich Stellung zu nehmen. Die Dinge in die eigene Verantwortung zu nehmen, das ist das Allerschwerste. Aber genau damit ist zu 90 Prozent der Schritt zu einer besseren Gesundheit getan. Wir sollten einfach das, womit das Leben zusammenhängt, nämlich Krankheit, Alter, Tod, nicht verdrängen."
und hier noch ein gedicht von mir, das demnächst in dem gedichtband "Mensch Maria" im buchhandel herauskommt (bitte schonmal vorbestellen, ISBN 978383707845):

Mit Männeraugen

Die Männer
lieben die Schönheit
der Frauen.

Maria sitzt unter einem Dachfenster
und leuchtet
ihr Gesicht gnadenlos
mit Männerblick aus.

Schwarze Riffelungen
über der Oberlippe,
die wie ein Bart wirken.

Flecken im Gesicht,
Schatten und Tränensäcke
unter den Augen,
die dunkel umrandet sind,
obwohl sie ausreichend Schlaf hatte.

Das Deckhaar spärlich,
die Finger wurstig,
Doppelkinn und Speckrand am Hals,
wabbelige Oberarme.


Bei Männern hingegen
wird kein Schönheitsmaßstab angelegt.
Maria ist das Aussehen
eines Mannes unwichtig.

Jener Greenpeace-Aktivist
hat eine schöne Frau
nach der anderen verlassen,
die eine wegen der nächsten.
Die übernächste, weil eine weitere
schon am Flughafen stand.

Obwohl sie doch alle so schön waren!

Was ist mit dem, was in ihnen ist?
Was ist mit ihrem Wesen,
ihrer Zärtlichkeit, ihrer Liebe,
ihrer Individualität?

Die Männer lieben nicht
die Schönheit der Frauen,
sie sammeln sie nur.

Alles eine Machtfrage.

1 Kommentar:

DANA hat gesagt…

Männer benutzen die Schönheit von Frauen nur, um von ihren eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.

Das erhöht ihren vermeintlichen Status oder Nimbus und erspart mühsame Selbstoptimierungsprozesse.

Ein preiswerter Bluff, der die Y-Dominanzpsychose befriedigt.

Dana R.