Montag, 11. Februar 2019

Das schräge Steintormilieu wandert von der Leine Richtung Ihme ab


Ein idealistscher Journalistenkollege vom NDR wollte einen aus der Schulenburger Landstraße Entlassenen resozialisieren, aber der tauchte umgehend am Steintor ab, um sich zu berauschen. Denn wer herauskommt, trifft auf seine unerledigten Beziehungen, unbezahlten Rechnungen, auch Anwaltskosten, ein krasser Gegensatz zur beschützten Welt im Gefängnis. 
Zum Columbus gibts ein paar böse Legenden: Mann sei dort gegen etwas Kleingeld gleich an der Theke auch untenrum bedient worden usw. iptextfoto


Von Ingeburg Peters

Seit die Stadt Hannover angestrengt Edel-Wohnungsbau-Breschen ins Steintorviertel schlägt, schlägt das „Milieu“ seinerseits mit der Goethe- und Braunstraße sowie Goetheplatz einen schrägen Keil mitten durch die noch bürgerlichen Ecken rund um Leibniz-Kirche links und Gerber-/Oeltzenstraße/Königsworther rechts.
Was sich da vor allem am Wochenende in den Dönerläden und Tele-Shops trifft, aber auch alltags beim Frisör, in den Spielhallen, oder bei Sisha-Anbietern, da möchte niemand leichtsinnig eine Taschendurchsuchung starten, nicht einmal die überforderte Polizei.
Man würde eh nur die kleinen Fische fangen, die Weiße-Kragen-Täter lassen sich nur selten wegen organisatorischer Fragen blicken.
An der Ihme, im Ihme-Zentrum, auf dem Schulhof Berufsschule, sowie hinter der Grundschule, wird unverhohlen Drogenhandel bei Tag und Nacht betrieben.
Prostitution kommt auf Bestellung in die Absteigen ringsum.
Die netten schönen Mädchen von Lars, dem Bordellbesitzer Braunstraße, einem ehemaligen Polizisten, dessen Etablissement im Vorder- und Hinterhaus seit je vom Ordnungsamt als „gut geführt“ bezeichnet wird, zeigen sich häufiger ungeniert auch draußen, seit Deutschland legales Sexparadies geworden ist.
Das könnte man für einen Fortschritt im Abbau ihrer Stigmatisierung halten, denn die Porno-Medien-Industrie hypnotisiert Millionen verklemmte Männer gewinnträchtig zuhause am Bildschirm, während hier noch echte Sozialarbeit live am Mann stattfindet.
Den Mitarbeiterinnen hatte Lars ohnehin von Anfang an verboten, im Steintorviertel zu verkehren, wie der Knacki und Schläger Gerhard Köhn in einem unterhaltsamen Taschenbuch 1981 berichtete, das nur noch Antiquariatsliebhaber interessiert.
Vorbei ist es zum Beispiel mit dem Columbus (geschlossen), wo Köhn zum Recherchieren sicherheitshalber sein eigenes Bierglas mitbrachte.
Und er fragte: „Warum gibt es eigentlich so etwas wie das Steintorviertel? Sollte sich die bürgerliche Gesellschaft einmal fragen. Und wer finanziert dieses Zwielicht, wo arme Leute gedroschen werden, als Kunden wie als AnbieterInnen?“
Aber die schräge Branche scheint krisensicher zu überleben.
Wenn jetzt weniger am Steintor, dann eben nun mehr rund um den Goetheplatz. ip




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