Sonntag, 26. August 2018

patria ubicumque bene est Die ganze Welt des Menschen Vaterland?


Textpassagen, ausgewählt und zusammengestellt von Ingeburg Peters

In der Verbannung leben zu müssen, ist heute aktueller denn je. Ganze Völker sind auf der Flucht. Das Gefühl der Entwurzelung steigert sich nicht selten zum Identitätsverlust.
Vertreibung betraf schon in der Antike nicht nur Prominente, sondern anonym gebliebene Menschen wie Sklaven, Zwangsarbeiterinnen, Flüchtlinge, Verfolgte, Deportierte und Expatriierte.
Sie alle empfanden das Exil als tiefen Einschnitt im Leben, der sie zu vernichten drohte. Viele zogen sich in die innere Emigration zurück. (aus Hildegard Krüger „Profugus solo patrio“)

#Cicero und #Seneca im Exil:
#Caesar bezeichnet es als die härtere Maßnahme gegenüber der Todesstrafe. Ciceros Ansicht nach ist der Selbstmord dem #Exil vorzuziehen. Erst später kommt er zu einer ganz anderen Deutung: dass die ganze Welt des Menschen #Vaterland sei (patria ubicumque bene est) und der Weise daher niemals aus seiner #Heimat vertrieben werden könne.
Dieser Gedanke des #Kosmopolitismus findet sich auch bei Seneca, der sich auf die wahren #Werte besinnt.

#Ovid im #Exil:
Die "barbarisch" klingenden Laute der Geten (in Tomis am Schwarzen Meer) im Ohr befürchtet der Dichter, die #Muttersprache zu verlernen. Der drohenden Gefahr des Verstummens wirkt er durch sein #Schreiben entgegen.
(Tristia V 7.55-68)
Aber die Länge seiner Vertreibung zermürbte ihn körperlich und seelisch, wurde eine Krankheit zum Tode. (Hildegard Krüger)

Bertolt Brecht im Exil:
Zieh die Mütze ins Gesicht, wenn Leute vorbeigehn!
Wozu in einer fremden Grammatik blättern?
Die Nachricht, die dich heimruft
ist in bekannter Sprache geschrieben.


Heinrich Heine im Exil:

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr, wenn nicht die Mutter dorten wär (aus: Nachtgedanken)


Ingeborg #Bachmann im #Exil:
Ich mit der deutschen Sprache
Dieser Wolke um mich
Die ich halte als Haus
Treibe durch alle #Sprachen

Johannes R. #Becher: #Exil
Treibt ihr wie vormals ein verlorenes Spiel.
Bevor aus #Deutschland wir vertrieben waren,
Wir lebten schon seit Jahren im Exil.

Bertolt Brecht, aus Svendborger Gedichte:
Der mit zerrissenen Schuhn durch die Menge geht
Zeugt von der Schande, die jetzt unser Land befleckt.

Peter #Weiss: Monolog im Vakuum
An eine Rückkehr in das Land meiner #Herkunft glaubte ich nicht, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich dort je wieder Einzelne oder Gruppen finden würde, mit denen eine #Verständigung möglich wäre, was ich dort fand, waren meine #Verfolger, und die hatten mir ihre Antwort längst gegeben. (aus „#Fluchtpunkt“)

Bertolt #Brecht: aus „An die Nachgeborenen“
Ihr aber, wenn es so weit sein wird
Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unserer
Mit Nachsicht.

#Seneca im Exil
verfasste eigens für seine #Mutter eine Schrift, um sie über seine #Verbannung zu trösten. In dieser Consolatio ad Helviam matrem ist aber spürbar, wie schwer ihm diese Aufgabe fiel.

Der Iraner Abdolreza #Madjderey:
Niemand ist als #Emigrant geboren

Gemälde Felix #Nussbaum aus #Osnabrück, der mit seiner Frau, der Malerin Felka Platek, in #Auschwitz ermordet wurde


Gemälde Nuria #Quevedo "30 Jahre Exil", die der #Franco-#Diktatur durch Flucht in die #DDR entrann

Ingeburg Peters in der inneren Emigration:
Offenbar nützt Schule nichts. Wir mussten dort über Stoffwechsel lernen: den Zusammenhang zwischen Boden, Pflanzen, Bäumen, Tieren + uns. Nun brennen Wälder, Vögel und Insekten sterben. Schulwissen in Biologie ist längst versickert.

Das Leben lehrt uns
jetzt
direkt,
wie man verreckt. 

Wer trägt die Verantwortung? Ip


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