Unter Strom – wenn 150 Millisekunden zur Ewigkeit werden
Hannover.
Strom kommt aus der Steckdose. Darauf ist Verlass. Zumindest in
Deutschland. Das gewährleisten flächendeckend die Energieversorger.
An der Hochschule Hannover (HsH), Fakultät I – Elektro- und
Informationstechnik, forschen und lehren Prof. Dr. Rüdiger Kutzner und
Prof. Dr. Andree Wenzel. Sie berechnen mit Hilfe von
Echtzeit-Simulationsmodellen im 50-Mikrosekunden-Takt Einflüsse auf
Netzlasten
und analysieren so Netzfehler in Folge von Überlastung oder
Blitzeinschlag. Zur Einschätzung: eine Mikrosekunde ist der millionste
Teil einer Sekunde.I hr
Wissen ist gefragt. In der bundesweiten Hochschullandschaft gibt es
gerade einmal vier dieser speziellen Echtzeit-Simulatoren, mit denen
sich
die Herausforderungen von Stromproduktion, -transport und -speicherung
durchspielen lassen. Ein spannungsgeladenes Forschungsfeld. Schon
deshalb, weil jede Stunde Blackout Deutschland bis zu 600 Millionen Euro
kosten würde. Die
Stromnetzbetreiber stehen zum Beispiel bei erneuerbaren Energien vor
ernsthaften Problemen. Wenn Wind und Sonne „arbeiten“, stoßen die
Stromnetze
immer häufiger an ihre Kapazitätsgrenze – trotz millionenschwerer
Investitionen in die vorhandenen Netze. Bei Flaute und Dunkelheit
hingegen fehlt der notwendige Strom. „Das
Thema ist hochkomplex. Um die Energieversorgung der Zukunft zu sichern,
müssen heute die richtigen Investitionen getätigt werden. Nur weiß
keiner
so ganz genau, wie die einzelnen Parameter aufeinander wirken und was
das für die Leitsysteme und die Netze bedeutet. Das kann man auch nicht
im echten Leben ausprobieren, sondern einzig simulieren.“, sagt Prof.
Kutzner und führt einen Vergleich ins Feld:
„Mit dem neuen Airbus fliegt ja auch niemand im Steigflug unter
Volllast senkrecht in die Höhe, um die Grenzen des Machbaren auszuloten.
Material und Mensch würden auf der Strecke bleiben. Hier hilft die
Simulation.“ Was
passiert bei einem Stromausfall? Das Szenario: Ein Blitz schlägt in
eine Überlandleitung ein. Der dabei erzeugte Kurzschluss führt zu einem
Lichtbogen.
Das System meldet einen Fehler und der betroffene Abschnitt wird
automatisch vom Netz getrennt. Das alles passiert in etwa hundert
Millisekunden. Der nach wie vor fließende Strom verteilt sich auf andere
Leitungen. Kommt es bedingt dadurch zu einer Überlastung,
fällt auch die nächste Leitung aus. Es kommt zum Dominoeffekt, der zum
Blackout führt. „Die
deutschen Systeme müssen einen Ausfall von 150 Millisekunden fehlerfrei
standhalten können. Im Stromnetz ist das schon eine kleine Ewigkeit.
Nach der Fehlerklärung läuft das System von alleine weiter, ohne dass
der Verbraucher davon etwas merkt“, sagt Prof. Wenzel. Je länger ein
Stromausfall dauert, desto mehr systemrelevante Komponenten bis hin zum
Kraftwerk können in Mitleidenschaft gezogen werden
– und eine Kettenreaktion auslösen. „Hier
setzen wir mit unseren Simulationsmodellen an, feinjustieren an allen
möglichen Stellschrauben, um Szenarien wieder und wieder reproduzierbar
durchzurechnen und die Schwachstellen zu analysieren. So können wir
dabei helfen, die Netze für die Zukunft sicher zu machen“, sagt Prof.
Kutzner, der im Fachgebiet Regelungstechnik und Mechatronik an der
Fakultät I lehrt. Sein Kollege Prof. Wenzel lehrt auf
dem Gebiet der elektrischen Energieversorgung und Smart Grids. E-Mobilität
ist ein integrativer Bestandteil der Energiewende und der
ganzheitlichen Systembetrachtung – denn Elektroautos sind rollende
Energiespeicher.
Miteinander vernetzt in einem virtuellen Kraftwerk, können sie
Lastschwankungen in großem Maße ausgleichen, Energie zwischenspeichern
und auch wieder abgeben. Zumindest wenn sie bidirektional laden können.
„Noch ist das keine Kenngröße, mit der wir rechnen.
Die Elektromobilität spielt momentan in der Energieversorgung noch
keine nennenswerte Rolle.“, sagt Prof. Wenzel. Gut
30 Studenten arbeiten im betreffenden Masterstudiengang der Hochschule
mit dem unscheinbaren Echtzeit-Simulator, der die Größe einer
Gefrier-Kühl-Kombi
hat. Sie spielen Fehler im Stromnetz und Schaltvorgänge durch, um am
Bildschirm anhand von oszillierenden Kurven ablesen zu können, welche
Auswirkungen diese auf eine sichere und zuverlässige Energieversorgung
haben. Weiterhin untersuchen sie, was das für
den Stromfluss bedeutet, wo Systeme verbessert werden und Komponenten
nachgerüstet werden müssen.
Dies ist eine Presseinformation, kopiert und eingefügt
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