wieder
liegt ein anstrengendes Wochenende auf der Münchner
Sicherheitskonferenz (MSC) hinter mir, insgesamt meine fünfte
Konferenzbeobachtung seit 2009. Einen Bericht über meine Eindrücke habe
ich inzwischen erstellt. Folgende Stichworte behandle ich dabei:
• Was ist eigentlich die Sicherheitskonferenz?
• Themen im Mittelpunkt
• Rolle Russlands in diesem Jahr
• Neue Themen im Plenum und in Nebenveranstaltungen
• Die beiden Seitenveranstaltungen unserer Projektgruppe
• Eindrücke unserer Beobachterin Daniela Dahn
• Unsere öffentliche Veranstaltung am Vorabend
• Artikel in der Süddeutschen Zeitung
Hier der Bericht:
Was ist eigentlich die Sicherheitskonferenz?
Sicherlich ein vielschichtiges Geschehen. Eines ist sie aber bestimmt:
eine Bühne, die Politiker gerne für ihre Botschaften nutzen. Diese
Statements werden dann von den zahlreich anwesenden Medienvertretern
aufgegriffen und wie mit einem überdimensionalen Lautsprecher in die
Öffentlichkeit transportiert. Besonders gilt dies für die ganz wichtigen
Politiker, die – auch diesmal – am Samstagvormittag eingeplant waren.
Nicht nur das Plenum, sondern auch die Galerie wurden da für die
Konferenzteilnehmer und die Delegationen der Redner benötigt, so dass
wir Beobachter keinen Zutritt bekamen und nur z.B. vor einem großen
Bildschirm im Foyer die Möglichkeit hatten, überhaupt etwas
mitzubekommen. Zuhause vorm Fernseher wäre dies sicher angenehmer
gewesen – und mit deutscher Übersetzung!
Im Mittelpunkt des Interesses
stand diesmal die Frage: Was will Trump? Ist die NATO für die neue
US-Regierung obsolet? Vizepräsident Pence versuchte in emotionaler Weise
die gemeinsame Geschichte zu beschwören und versicherte Europa die
Treue der USA. „Friede kommt nur durch Stärke“, so Pence. Dafür sei aber
mehr zu tun, womit er bei einem weiteren Hauptthema der diesjährigen
Konferenz landete: der Vereinbarung der NATO-Staaten aus dem Jahr 2014,
bis in zehn Jahren 2 % der jeweiligen Wirtschaftsleistung für Rüstung
auszugeben. Die Einhaltung dieses 2%-Beschlusses wurde in vielen
Beiträgen angemahnt. Auch Deutschlands neuer Außenminister Gabriel hielt
grundsätzlich daran fest, hinterfragte die Forderung aber auch
deutlich: Höhere Militärausgaben seien nicht mit höherer Sicherheit
gleichzusetzen. Nur zwei EU-Länder hätten das 2%-Ziel bisher erreicht,
eines davon sei Griechenland, angesichts seiner wirtschaftlichen
Probleme sicher nicht wirklich ein Vorbild, so Gabriel. Konferenzleiter
Ischinger hatte im Vorfeld der Konferenz bereits eine neue Zahl ins
Spiel gebracht, für die er – wie zu hören war – am Samstagabend auch von
Noch-Bundespräsident Gauck Unterstützung bekam: insgesamt 3 % für die
Aufstockung der Verteidigungsausgaben zum einen und für
Krisenprävention, Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit zum anderen.
Hintergrund: Auch das vor vielen Jahren vereinbarte Ziel, für
Entwicklungshilfe 0,7 % der Wirtschaftsleistung auszugeben, wurde bisher
nicht erreicht. Ein durchaus zweischneidiger Vorschlag, dessen
taktische Hintergedanken Ischinger am Eröffnungstag der Konferenz in
einem Interview mit Bayern 5 gleich selbst offenlegte.
Im Vergleich zu früher waren die Russen diesmal deutlich weniger präsent auf der Konferenz.
Vielleicht lag es daran, dass der Westen momentan so sehr mit sich
selbst beschäftigt ist? Oder war es eine Art Ausgrenzungsstrategie? Der
Vorwurf der russischen Krim-Annektion als Bruch des Völkerrechts zog
sich jedenfalls durch viele Reden. Kein Thema waren hingegen die Fälle,
in denen sich der Westen nicht an die Regeln des Völkerrechts gehalten
hat, wie z.B. beim Kosovo-Krieg gegen Serbien, der ohne UN-Mandat
stattfand. Außenminister Lavrov durfte dann zumindest als letzter der
prominenten Gäste des Samstagvormittags auch noch aufs Podium. Er
bezeichnete die NATO als „Institution des Kalten Krieges im Denken und
im Herzen“. Seine viel zitierte Formulierung einer
„Post-West-Weltordnung“, vielleicht angeregt durch die Formulierung im
Tagungsprogramm „The Future of the West: Downfall or Comeback?“, verband
er allerdings mit der Hoffnung, dass das Völkerrecht dann endlich
beachtet wird. Und am Sonntagvormittag konnte der russische Politiker
Kosachev auf einem Podium zu Syrien darauf hinweisen, dass neben ihm
zwar u.a. ein Vertreter der Syrischen Nationalkoalition, aber keiner der
syrischen Regierung saß. Beim vorigen Podium, einer Debatte nur unter
US- Senatoren, hatte aber bereits Senator L. Graham seine Überzeugung
zum Besten gegeben, dass 2017 das Jahr sei, „wo wir den Russen in den
Hintern treten müssen“.
Eine größere Rolle spielten diesmal Entwicklungspolitik und Afrika,
ausgehend von der Hoffnung, zukünftigen Flüchtlingsströmen nach Europa
vorzubeugen. Beachtenswert war insbesondere der Auftritt des Sängers
Bono, Mitbegründer der Lobby- und Kampagnenorganisation ONE. Seine Rede
entsprach seinem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom gleichen Tag
(17.02.17, S. 2). Und auch in dem von Konferenzleiter Ischinger am
Freitag kurz vor Konferenzbeginn gemeinsam mit der
Verteidigungsministerin und dem Entwicklungsminister vorgestellten neuen
Buch „Deutschlands neue Verantwortung“ werden Außen-, Entwicklungs- und
Sicherheitspolitik miteinander verknüpft. Grundsätzlich halte ich das
für einen positiven Ansatz. Es ist aber keineswegs gewiss, ob dadurch
die Sicherheitslogik – sich schützen gegen den anderen – aufgeweicht
werden kann zugunsten einer ganzheitlicheren, friedenslogischen
Betrachtung oder ob es nicht eher zu einer „Versicherheitlichung“ der
Entwicklungspolitik kommt, die paternalistisch zu wissen meint, was für
die afrikanischen Länder gut ist, aber vor allem die Interessen des
Westens im Blick hat. Dies wird weiter diskutiert werden müssen!
Am Samstagnachmittag fanden im Hauptprogramm zwei parallele Veranstaltungen statt: „Gesundheitssicherheit“ im Konferenzsaal und „Klimasicherheit“
im Königssaal. Beide habe ich jeweils zu Teilen besucht und war
insbesondere von der zweiten Veranstaltung sehr angetan. Die ehemalige
irische Präsidentin M. Robinson schilderte die Betroffenheit einer
Afrikanerin, als ihr klar wurde, dass die Flut, die ihr Dorf zerstört
hatte, nicht eine Strafe Gottes, sondern Folge des Lebensstils in den
reichen Ländern ist. S. Hasina, Premierministerin von Bangladesch, das
unter einem steigenden Meeresspiegel besonders leiden wird, fragte, was
die armen Länder denn überhaupt tun könnten. Der finnische Präsident S.
Niinistö betonte, es sei ja nicht nur das 2%-Ziel der
NATO-Rüstungsausgaben beschlossen, sondern auch die Klimavereinbarung
von Paris vereinbart worden. Diese sei deshalb genauso einzuhalten. Und
die schwedische Außenministerin M. Wallström sagte: „If you want peace,
invest in peace!“ Sogar der US-Politiker auf diesem Podium hörte sich
recht vernünftig an – kein Wunder: Senator S. Whitehouse hat den Kampf
gegen den Klimawandel zu seiner Sache gemacht. Offensichtlich war dies
also wieder die „Vorzeigeveranstaltung für Kritiker“, wie es ein
MSC-Mitarbeiter mir gegenüber einmal selbstironisch formuliert hatte.
Leider profitieren solche Nebenveranstaltungen aber kaum von dem oben
erwähnten Lautsprechereffekt der Sicherheitskonferenz.
Dies
gilt umso mehr für die Vielzahl von Seitenveranstaltungen, die
inzwischen im Rahmen der Konferenz stattfinden. Die meisten richten sich
nur an eingeladene Gäste. Auch ich hatte im Vorfeld per E-Mail einige
Einladungen erhalten. Unsere Projektgruppe „Münchner
Sicherheitskonferenz verändern“ e.V. war selbst Mitveranstalterin von
diesmal sogar zwei Seitenveranstaltungen für Teilnehmende der
Sicherheitskonferenz. Die Veranstaltung zur Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg
am Freitagnachmittag litt unter dem zeitgleichen Auftritt des
amerikanischen Verteidigungsministers. Außerdem befand sich der
Veranstaltungsort im Literaturhaus – angesichts regnerischen Wetters und
des bei Konferenzbeginn total überforderten Garderobenpersonals im
Bayr. Hof – zu weit vom Hauptprogramm entfernt. Alle der immerhin fast
fünfzig für diese Veranstaltung Angemeldeten wollen wir nun aber per
E-Mail über die Möglichkeiten der Gewaltfreien Kommunikation im
politischen Kontext informieren.
Besser
erging es unserer Seitenveranstaltung unter Federführung des „Forum
Ziviler Friedensdienst“, die am Samstag als Frühstück bereits um 7.45
Uhr stattfand und bei der ich als Mitveranstalter ein Grußwort vortrug.
Trotz des schwer zu findenden Veranstaltungsorts (Trinkstüberl im Keller
des Bayr. Hof) konnte bei dieser exklusiven und prominent besetzten
Gesprächsrunde sehr deutlich werden, wie die internationale Gemeinschaft
ohne Waffeneinsatz und Aufrüstung Verantwortung in Konflikten
übernehmen kann. In eindrücklicher Weise schilderte Tiffany Easthom,
Direktorin von Nonviolent Peaceforce wie „Unarmed Civilian Protection“
(Unbewaffneter Schutz von Zivilisten) in Kriegen wie im Südsudan
Menschenleben rettet. Peter Maurer, Präsident des Internationalen
Komitees vom Roten Kreuz vertrat auf unserer Veranstaltung, was auch die
Vereinten Nationen längst fordern: Zivile Konzepte zum Schutz vor
Gewalt müssen Priorität haben – denn sie wirken! Oliver Knabe,
Vorsitzender des forumZFD: „Ich bin nach dieser Sicherheitskonferenz
noch mehr als bisher überzeugt: Nur wenn wir gewaltfreie Alternativen der Deeskalation und Friedensförderung stärken,
können wir die Aufrüstungsspirale stoppen.“ Interessant auch mein
kurzer anschließender Austausch mit Maurer über das öffentliche Programm
im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos, das er vor ca. 10 Jahren
mit ins Leben gerufen hat und das – so Maurer – auch von den
Tagungsteilnehmern selbst besucht werde, da es so attraktiv sei.
Am Sonntagvormittag wurde ein durchaus interessanter Versuch gemacht, die verschiedenen Akteure des Nahen Ostens
zu Wort kommen zu lassen. Für jeweils zwanzig Minuten hatten
nacheinander die Vertreter von Iran, Israel, der Türkei und Saudi
Arabien die Bühne für sich. Sie gaben jeweils ein kurzes Statement ab
und wurden anschließend von der sehr beeindruckenden BBC-Journalistin L.
Doucet befragt. Eine Sonderrolle hatten dabei der Iran, der als erster
auftrat und von Ischinger selbst interviewt wurde und Israel, das nicht
vom Außenminister sondern vom Verteidigungsminister vertreten wurde. Der
Iran warb für ein „regionales Dialogforum“, wie auf Nachfrage deutlich
wurde „mit den Nachbarn am Persischen Golf“, also unter Ausschluss
Israels. Der israelische Minister A. Liberman sah drei Probleme in der
Region: „Iran, Iran, Iran!“ und plädierte für „einen anderen Dialog“,
„eine Koalition der Moderaten“. Die Komplexität des Konflikts angesichts
der verschiedenen Akteure in Nahost – immerhin kamen vier davon zu Wort
– mit unterschiedlichen Interessen, Befürchtungen, Feindbildern und
Annäherungsversuchen konnte so sehr deutlich werden. Ob es irgendwann
einen mutigen Politiker in Iran oder Israel geben wird, der den Dialog
mit der anderen Seite aufzunehmen wagt?
Begleitet auf die Sicherheitskonferenz wurde ich in diesem Jahr von Daniela Dahn, Schriftstellerin und Friedensaktivistin aus Berlin.
Sie wird voraussichtlich ihre Eindrücke in einem eigenen Bericht
schildern. Im Rahmen der Veranstaltung der Petra-Kelly-Stiftung im
Anschluss an die Konferenz erläuterte sie anhand von zwei
Schlüsselsätzen die Pole, zwischen denen sich nach ihrem Eindruck die
Tagung bewegte: „Die NATO dient dazu, unseren Lebensstil zu bewahren.“
Dieser bedrohlich wirkende Satz des amerikanischen
Verteidigungsministers steht für das nach wie vor stark militärische
Denken auf der ehemaligen Wehrkundetagung. Den anderen Pol bildete für
Dahn der hoffnungsvolle Satz des sehr überzeugenden neuen
UN-Generalsekretärs A. Guterres: „Das politische Establishment ist die größte Bedrohung für die Sicherheit.“
Allerdings bekam dieser zweite Satz – so Dahn – deutlich weniger
Beifall. Für die Veranstaltung der Petra-Kelly-Stiftung wirkte die
Teilnahme von Dahn sehr belebend und auch der friedensbewegte Teil des
Publikums fühlte sich diesmal angemessen auf dem Podium vertreten.
Kurz
möchte ich noch erwähnen, dass auch unsere (in Kooperation mit der
Petra-Kelly-Stiftung durchgeführte) Veranstaltung am Vorabend der
Konferenz gut gelungen ist. Zum Thema „Neue deutsche Verantwortung?“ diskutierten die Friedensforscher/innen
C. Hauswedell (FEST Heidelberg) und U. Roos (Uni Augsburg) mit dem
Politologen H. Maull (Uni Trier). C. Rungius musst leider erkrankt
absagen. Alle Podiumsteilnehmer hatten sich bereits in ihren
Veröffentlichungen mit diesem Thema wissenschaftlich auseinandergesetzt,
so dass eine sehr kompetente Debatte, auch unter Einbezug des
Publikums, stattfinden konnte. Erfreulicherweise hatte am gleichen Tag
die Süddeutsche Zeitung auf der Leute-Seite des München-Teils
einen längeren Artikel über mein Friedensengagement und die Arbeit
unserer Projektgruppe veröffentlicht. So können wir insgesamt mit
unseren Aktivitäten zum Konferenzwochenende recht zufrieden sein, auch
wenn wir natürlich mit unseren bescheidenen Mitteln nur kleine Anstöße
zur gesellschaftlichen Debatte und zur Veränderung der
Sicherheitskonferenz zu einer „Münchner Konferenz für Friedenspolitik“
geben können. Deshalb sind auch die Friedenskonferenz und die
Anti-Siko-Demonstration als öffentlich wahrgenommene Beiträge zur gesellschaftlichen Debatte um Sicherheit, Krieg und Frieden weiterhin sehr wichtig.
Und
wie haben Sie in diesem Jahr die Münchner Sicherheitskonferenz und die
Veranstaltungen im Umfeld wahrgenommen? Wir sind gespannt auf Ihre
Rückmeldungen zu unserem Newsletter, aber auch zu unserer
Projektzeitung, die am Konferenzwochenende verteilt wurde!
Mit guten Wünschen
Thomas Mohr
Vorsitzender der Projektgruppe "Münchner Sicherheitskonferenz verändern" e.V.
www.mskveraendern.de
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