Niedersächsische Justizministerin Niewisch-Lennartz kritisiert den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderehe
Bei dem Parlamentarischen
Abend am 27. März 2017 in der Niedersächsischen Landesvertretung in
Berlin - zum Thema „Familienrecht im Zeitalter des Populismus. Roll-Back
statt Fortschritt“ - machte die Niedersächsische
Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz deutlich, dass dem Kindeswohl
nicht nur der Form halber, sondern inhaltlich zum Durchbruch verholfen
werden muss.
„Es ist eine vordringliche
nationale wie internationale Aufgabe, den Schutz von Kindern und
Jugendlichen zu stärken. Mit dem Krieg in Syrien und an vielen anderen
Orten der Welt haben sich Kinder und Jugendliche
auf die Flucht begeben, die unseren besonderen Schutz benötigten. Unter
den Minderjährigen, die nach Deutschland gekommen sind, haben sich im
Jahr 2016 auch 1.475 befunden, die bereits verheiratet gewesen sind“,
führte die Niedersächsische Justizministerin
ein.
Jetzt liegt auf
Bundesebene der Entwurf eines „Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderehe“
vor. Darin ist vorgesehen, die Ehe Minderjähriger als nichtig anzusehen,
wenn einer der Eheschließenden das 16. Lebensjahr noch
nicht vollendet hatte. Ehen, bei denen einer der Eheschließenden zwar
das 16. Lebensjahr erreicht hat, jedoch noch nicht volljährig ist,
sollen hingegen alle auf Antrag des Jugendamtes aufgehoben werden.
„Eine derartige Regelung
kann dem Schutz der Kinder zuwiderlaufen, insbesondere wenn aus der
Verbindung bereits Kinder hervorgegangen sind“, betonte die
Justizministerin. Die Ehen der minderjährigen Kinder und Jugendlichen
müssen differenziert betrachtet werden. Die Motive, die Eltern vielfach
dazu veranlassen, ihre minderjährigen Töchter vor einer Flucht aus dem
Krisengebiet zu verheiraten, müssen berücksichtigt werden. Es ist nicht
gerechtfertigt die im Ausland geschlossenen
Ehen unter Jugendlichen generell unter den Verdacht eines Verstoßes
gegen den Ordre public zu stellen“, so die Ministerin weiter.
Dem Schutz der
Minderjährigen kann bereits nach der derzeitigen Rechtslage zum
Durchbruch verholfen werden: Die Ehen von Kindern und Jugendlichen
könnten nach den Vorschriften des BGB bereits jetzt aufgehoben werden.
Das Strafgesetzbuch verbietet die Zwangsheirat ebenso wie sexuellen
Missbrauch und sexuelle Handlungen an unter 14 Jährigen selbst dann,
wenn sie verheiratet sind. Das Jugendamt kann die Jugendlichen in Obhut
nehmen und sie sicher unterbringen, wenn dies notwendig
ist.
„Eine Ehe als nicht
existent zu behandeln, verhindert, dass besondere Interessen der Kinder
und Jugendlichen Berücksichtigung finden und lässt eine gerichtliche
Überprüfung im Einzelfall nicht zu. Dies ist mit den
Grundsätzen der UN Kinderrechtskonvention nicht vereinbar“, so
Niewisch-Lennartz abschließend.
Die Veranstaltung: Zu
dem Parlamentarischen Abend in der Niedersächsischen Landesvertretung
in Berlin begrüßte der Dienststellenleiter Michael Pelke ungefähr 150
Teilnehmer. Neben der Niedersächsischen Justizministerin
Niewisch-Lennartz hielt auch die Präsidentin des Deutschen
Juristinnenbundes und Präsidentin des Landgerichts Cottbus Ramona Pisal
ein Impulsreferat. Zu der anschließenden Diskussion waren Jutta Wagner
(Past Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, Rechtsanwältin
und Notarin), Claudio Nedden-Boeger (Richter am Bundesgerichtshof,
Mitglied im Familiensenat) und Katja Keul MdB- Fachanwältin für
Familienrecht, Rechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingeladen.
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