Freitag, 27. Januar 2017

Gehört uns unser Körper noch?

Bis zum 29. Januar 2017 findet in Zusammenarbeit mit dem Staatstheater Hannover die öffentliche Jahreskonferenz 'KÖRPER. Repräsentation. Interaktion. Differenz.' im Ballhof statt.
Gehört uns unser Körper noch? Ist es nicht eher so, dass andere ihn überwachen und bewerten; das andere bestimmen, wie wir aussehen, wie wir uns kleiden, was wir essen, wie und vor allem wie viel wir uns bewegen? Wir werden daraufhin überprüft, ob wir uns fit halten oder uns gehen lassen, ob wir unseren Körper pflegen oder ihn schlecht behandeln und er vielleicht irgendwann der Allgemeinheit zur Last fällt. Der Körper als letzte widerständige Bastion gegen die Zumutungen von außen wird immer mehr zur Utopie.
Wem auch immer er gehört: Der Körper ist in unserem Leben omnipräsent. Nicht nur, weil jeder von uns einen hat, sondern weil die visuellen Medien uns fortwährend mit Abbildungen von Körpern konfrontieren – und damit nicht nur unsere Vorstellungen davon prägen, wie ein Körper auszusehen hat, sondern darüber hinaus auch gesellschaftliche Konstellationen manifestieren, wie etwa das Verhältnis zwischen den Geschlechtern, zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien, zwischen Gesunden und vermeintlich Kranken und zunehmend sogar zwischen »Leistungswilligen« und »Leistungsverweigerern«.Wie schlagen sich diese Manifestationen im Theater und den dort agierenden Körpern nieder? Der menschliche Körper ist ein Grundelement, ja sogar eine Voraussetzung des Theaters. Schließlich ist die »leibliche Ko-Präsenz« (Erika Fischer-Lichte), also die gleichzeitige körperliche Anwesenheit sowohl der Darstellenden als auch der Zuschauenden, das Wesensmerkmal des Theaters, das es von allen anderen Kunstformen unterscheidet.
Der Körper, der sich uns im Theater präsentiert, ist aufgeladen mit Bedeutungen, Zuschreibungen, Geschichten, Erfahrungen. Zwar handelt es sich bei den Körpern, die wir auf der Bühne sehen, stets um individuelle Körper, doch stehen diese stellvertretend für kollektive Bilder, die wir vom Körper haben. Wenn wir, die Zuschauer*innen, den Körper eines Darstellers, einer Sängerin oder Tänzerin, ja selbst den Körper einer Puppe auf der Bühne erblicken, denken wir vom ersten Moment an sämtliche Diskurse, die sich um den Körper ranken, mit: Ist es ein männlicher oder weiblicher, kleiner oder großer, junger oder alter Körper? Ist er im Vollbesitz seiner physischen Möglichkeiten oder krank, müde, erschöpft oder gar beeinträchtigt? Ist er bekleidet oder unbekleidet? Welche Farbe hat seine Haut? Was sagt all das über die Person, die in diesem Körper steckt, und die Figur, die sie womöglich verkörpern will, aus? Und was sagen unsere eigenen Reaktionen, Erwartungen, Vorurteile, Kategorisierungen, mit denen wir dem sich uns präsentierenden Körper begegnen, über uns selbst aus? Welche Körper sehen wir auf den Bühnen unseres Landes – und welche nicht? Welche sehen wir uns gerne an, und welche bereiten uns vielleicht Unbehagen? Bildet sich unsere Gesellschaft in all ihrer Vielfalt auch auf unseren Bühnen ab? Warum nicht? Wie haben sich Körperbilder in den vergangenen Jahren verändert? Welchen gesellschaftlichen Codes, Normierungen und Zuschreibungen unterliegen unsere Körper? Wie werden die biotechnologischen Optimierungsmöglichkeiten des Körpers unser Leben verändern? Welche Möglichkeiten öffnen sich dem Theater durch die Erzeugung virtueller Körper? Und: Wie lässt sich dramaturgische Arbeit körperlicher denken?»Der Körper ist für subjektiv sinnhaftes Handeln bedeutsam, wie er auch eine soziale Tatsache ist, die hilft, Soziales zu erklären. Der menschliche Körper ist Produzent, Instrument und Effekt des Sozialen. Er ist gesellschaftliches und kulturelles Symbol sowie Agent, Medium und Werkzeug sozialen Handelns. Soziale Strukturen schreiben sich in den Körper ein, soziale Ordnung wird im körperlichen Handeln und Interagieren hergestellt. Sozialer Wandel wird durch körperliche Empfindungen motiviert und durch körperliche Aktionen gestaltet,« heißt es im Vorwort zum 'Handbuch Körpersoziologie' (hg. von Robert Gugutzer, Gabriele Klein, Michael Meuser). Die Autor*innen sprechen von einem »body turn«, den die Forschung der Körpersoziologie vorantreibt. Wie zeigt sich dieser »body turn« im Theater? Wie manifestiert er sich in den unterschiedlichen Sparten?

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