Bis zum 29. Januar 2017 findet in Zusammenarbeit mit dem
Staatstheater Hannover die öffentliche Jahreskonferenz 'KÖRPER.
Repräsentation. Interaktion. Differenz.' im Ballhof statt.
Gehört uns unser
Körper noch? Ist es nicht eher so, dass andere ihn überwachen und
bewerten; das andere bestimmen, wie wir aussehen, wie wir uns kleiden,
was wir essen, wie und vor allem wie viel wir uns bewegen? Wir werden
daraufhin überprüft, ob wir uns fit halten oder uns gehen lassen, ob wir
unseren Körper pflegen oder ihn schlecht behandeln und er vielleicht
irgendwann der Allgemeinheit zur Last fällt. Der Körper als letzte
widerständige Bastion gegen die Zumutungen von außen wird immer mehr zur
Utopie.
Wem auch immer er gehört: Der Körper ist in unserem Leben
omnipräsent. Nicht nur, weil jeder von uns einen hat, sondern weil die
visuellen Medien uns fortwährend mit Abbildungen von Körpern
konfrontieren – und damit nicht nur unsere Vorstellungen davon prägen,
wie ein Körper auszusehen hat, sondern darüber hinaus auch
gesellschaftliche Konstellationen manifestieren, wie etwa das Verhältnis
zwischen den Geschlechtern, zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien,
zwischen Gesunden und vermeintlich Kranken und zunehmend sogar zwischen
»Leistungswilligen« und »Leistungsverweigerern«.Wie schlagen
sich diese Manifestationen im Theater und den dort agierenden Körpern
nieder? Der menschliche Körper ist ein Grundelement, ja sogar eine
Voraussetzung des Theaters. Schließlich ist die »leibliche Ko-Präsenz«
(Erika Fischer-Lichte), also die gleichzeitige körperliche Anwesenheit
sowohl der Darstellenden als auch der Zuschauenden, das Wesensmerkmal
des Theaters, das es von allen anderen Kunstformen unterscheidet.
Der
Körper, der sich uns im Theater präsentiert, ist aufgeladen mit
Bedeutungen, Zuschreibungen, Geschichten, Erfahrungen. Zwar handelt es
sich bei den Körpern, die wir auf der Bühne sehen, stets um individuelle
Körper, doch stehen diese stellvertretend für kollektive Bilder, die
wir vom Körper haben. Wenn wir, die Zuschauer*innen, den Körper eines
Darstellers, einer Sängerin oder Tänzerin, ja selbst den Körper einer
Puppe auf der Bühne erblicken, denken wir vom ersten Moment an sämtliche
Diskurse, die sich um den Körper ranken, mit: Ist es ein männlicher
oder weiblicher, kleiner oder großer, junger oder alter Körper? Ist er
im Vollbesitz seiner physischen Möglichkeiten oder krank, müde,
erschöpft oder gar beeinträchtigt? Ist er bekleidet oder unbekleidet?
Welche Farbe hat seine Haut? Was sagt all das über die Person, die in
diesem Körper steckt, und die Figur, die sie womöglich verkörpern will,
aus? Und was sagen unsere eigenen Reaktionen, Erwartungen, Vorurteile,
Kategorisierungen, mit denen wir dem sich uns präsentierenden Körper
begegnen, über uns selbst aus? Welche Körper sehen wir auf den
Bühnen unseres Landes – und welche nicht? Welche sehen wir uns gerne an,
und welche bereiten uns vielleicht Unbehagen? Bildet sich unsere
Gesellschaft in all ihrer Vielfalt auch auf unseren Bühnen ab? Warum
nicht? Wie haben sich Körperbilder in den vergangenen Jahren verändert?
Welchen gesellschaftlichen Codes, Normierungen und Zuschreibungen
unterliegen unsere Körper? Wie werden die biotechnologischen
Optimierungsmöglichkeiten des Körpers unser Leben verändern? Welche
Möglichkeiten öffnen sich dem Theater durch die Erzeugung virtueller
Körper? Und: Wie lässt sich dramaturgische Arbeit körperlicher denken?»Der
Körper ist für subjektiv sinnhaftes Handeln bedeutsam, wie er auch eine
soziale Tatsache ist, die hilft, Soziales zu erklären. Der menschliche
Körper ist Produzent, Instrument und Effekt des Sozialen. Er ist
gesellschaftliches und kulturelles Symbol sowie Agent, Medium und
Werkzeug sozialen Handelns. Soziale Strukturen schreiben sich in den
Körper ein, soziale Ordnung wird im körperlichen Handeln und
Interagieren hergestellt. Sozialer Wandel wird durch körperliche
Empfindungen motiviert und durch körperliche Aktionen gestaltet,« heißt
es im Vorwort zum 'Handbuch Körpersoziologie' (hg. von Robert Gugutzer,
Gabriele Klein, Michael Meuser). Die Autor*innen sprechen von einem
»body turn«, den die Forschung der Körpersoziologie vorantreibt. Wie
zeigt sich dieser »body turn« im Theater? Wie manifestiert er sich in
den unterschiedlichen Sparten?
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen