Hannover. Manchmal sind Fahrstühle defekt, und niemand kommt, um sie zu reparieren. Die schwer kranken Menschen müssen sich in die einzelnen Etagen bis Stock 6 hochhangeln. Dazwischen bringen Boten und Helferinnen riesige Pakete die Treppen hinauf. Es herrscht Chaos. Einige klammern sich dem Zusammenbruch nahe am Geländer fest.
Eine Frau will einen Termin zur KrebsVorsorge. Nein, sagt die Rezeption. Unsere Chefin sagt, sie hat schon bis Januar alle 10 Minuten eine Patientin, und mehr als arbeiten könne sie nicht. Wir nehmen auch keine Neupatientinnen an. Keine. Nicht eine.
In den anderen Praxen sieht es ähnlich aus. Ein hochkomplexes Gerät ist kaputt und muss erneuert werden. Kranke werden mit ihren Überweisungen zu anderen Stellen hin- und her verwiesen. Die Radiologie hinterm Friederikenstift in der Bäckerstraße zum Beispiel heißt nun verwirrend "Röntgenpraxis Am Marstall", obwohl der Marstall in der Innenstadt liegt und sich dort nur die Verwaltung befindet. Von hier wird dann auch noch ans DRK-Clementinenhaus verwiesen. Angeblich soll dort sofortiges Röntgen möglich sein, aber nicht am Wochenende oder nach 20 Uhr. Da müssen die Patienten, ob ohne oder mit Auto, ersteinmal hin finden.
Donnerstagabend 20 Uhr in der Notaufnahme Friederikenstift: sechs bis sieben Stunden Wartezeit für die Notfälle. Jemand kommt mit 240 Blutdruck (Klimawechselbedingt?) und wird unruhig, als sich alle beschäftigt zeigen. Schließlich wird nachgemessen, er sei nun etwas niedriger: "Gehen Sie nachhause und setzen Sie sich vor den Fernseher. Alles Gute!". Beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116117 ein Automat... Und überall der Verweis aufs Internet, auch bei den Hausärztlichen Praxen.
In der Elektronischen PatientenAkte steht dann" Therapie-Inadhärenz", auf deutsch "Patient setzt Behandlungsmaßnahmen nicht um", und wird bei einem weiteren Notfall trotz korrektem medikamentösen Verhalten Opfer von Behandlungsverweigerung??? Derweil schreitet der Personalabbau in den Krankenhäusern fort. Wenn etwas schief läuft, ist einfach der Patient schuld? Er hat sich nicht ausreichend untergeordnet?
Wer über die Stränge schlägt, kommt viel schneller dran als brave Gesundheitsbewusste mit zeitweiligen Störungen. Mancher darf im Krankenhaus-Kurzzeitbett seinen Rausch ausschlafen. Auch zum Beispiel für die Dialyse bekommt er bevorzugt Termine. Ähnliches ist aus dem Klinikum Siloah zu hören.
Die ständige Dateneingabe in die Elektronische Patienten-Akte vor allem scheint Mediziner und Personal restlos zu überfordern. Eine afrikanischstämmige Patientin berichtet, auf Nachfrage habe sie festgestellt, dass ihr Fall vom Arzt überhaupt nicht in den Computer eingegeben wurde.
Die Datensammlung kann auch zu falschen Schlüssen führen, wie wir das schon von Socialmedia kennen? ip