Mittwoch, 31. Dezember 2008
lost in tourism
ach ist das schön, wieder einfach daheim dankbar frisches wasser ohne zu überlegen aus der leitung zu trinken!
auf fuerteventura war nämlich leitungswasser selbst nur zum zähneputzen ziemlich grenzwertig und auch beim warmen wannenbad kommt man sich dort leicht verkeimt vor, so wie die palmenpracht an den straßen durch gefiltertes und per leitungssystem zur bewässerung genutztes kloakenwasser entstanden ist, was mir als allergisch beeinflussbarem menschen durchaus unangenehm beim joggen in die nase steigt.
überhaupt überwiegt das schlechte gewissen, was wir den armen ziegenhirten dort antun, deren familienangehörige als putzfrauen oder im service der riesigen hotelanlagen arbeiten, und nun will ryan air, die 250 000 gäste gebracht haben, ab februar fuerteventura als flugziel streichen, weil werbevereinbarungen nicht eingehalten wurden.
die unter horrorbedingungen übers meer per schlauchboot eintreffenden afrikanischen flüchtlinge müssen auch ernährt werden, jedenfalls die, die es überlebt haben, der pfarrer von morro bittet deshalb um lebensmittelspenden.
30 große anlagen stehen schon zum verkauf, weil sie nicht mehr rentabel sind, nachdem in den letzten 10 jahren die gesamte südwestküste von jandia bis costa calma mit hotelkomplexen zugebaut worden ist. auch das appartement, in dem ich jetzt wohnte, gehörte einst zum riu-konzern, der nur in den hochwertigen marktsegmenten investiert, wurde aber offensichtlich abgestoßen und leidet seitdem unter rasantem verfall. in dem ehemaligen riu-apparthotel war es nun eine mutprobe, den wild rumpelnden fahrstuhl zu besteigen (ähnlich wie derzeit in hannover im ihme-zentrum), der fernseher ging glücklicherweise nicht, das mischen von heißem und kaltem wasser geriet ständig zur kneippkur, die stühle brachen zusammen.
aber das schlimmste war dies "all inclusive", der einzige etwas gewärmte pool umlagert von (noch) lebenden stückgütern der reiseindustrie mit rosa plastikbändchen ums handgelenk, als seien sie neugeborene. unglaublich viele sehr fette junge und alte menschen waren darunter, ich schätze zu 80 prozent. und sie bestellten beim service einen cappuccino und dann noch einen und dann noch einen, weil es ja inclusive war. derart aufgeputscht, musste dann zwangsläufig mit alkohol wieder beruhigt werden.
besonders heilig abend waren die gesichter lang, es herrschte bedrückte stimmung trotz weihnachtsmann für die kleinen um 15 und 16 uhr, als ich im pool meine rückenschwimmbahnen zog (am besten ging das bei sonnenuntergang, wenn schon wieder alle beim fressen waren).
ein alter herr redete laut in die runde, er werde sich eine kerze anzünden und ein band einlegen heute abend, wo denn das problem sei? die frage kann ich beantworten: viele dieser einsamen all-inclusive-touristen legen dem christkind statt weihrauch und myrrhe den gesundheitlichen ruin der nächsten generationen in die krippe.
ich wollte dann auch mal einen kaffee bestellen, das ging nicht gegen bezahlung, wer kein all inclusive hat, muss sich einen gutschein von der rezeption holen und das war mir zu mühsam.
draußen an der strandstraße gähnten leere bazare und cafés. die depression lastet nicht nur auf den touristen, sie lastet besonders auf fuerteventura.
frage an miguel violan, den katalanischen ehemann und pressechef von firmenchefin carmen riu, die an der tui beteiligt ist, wieviele ihrer anlagen haben sie bereits außerdem abgestoßen?
vor 10 jahren residierte ich übrigens auch mal im risco del gato, einer von der bekannten wohltäterin (hannoversche tafel) rosemarie wallbrecht finanzierten und eingerichteten luxusanlage, damals herrlich in alleinlage auf einem hügel über dem meer an der costa calma gelegen. als ich es jetzt wiedersah, konnte ich die kleinen, maurisch inspirierten bungalows zuerst gar nicht entdecken hinter dem riesigen, davorgebauten pajara-hotelkomplex. total eingezwängt war das einstige schmuckstück inzwischen, mit einzigem ausblick auf die anderen immobilien.
und n guten rutsch wünsch ich noch, bei heringssalat und champagner.
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