Montag, 28. August 2017

Was für ein Leben - Über fehlende Verbundenheit

Von Ingeburg Peters

Alt werden war nie Zucker schlecken. Aber in Zeiten der Nanotechnologie ist es subtile Folter.
76jähriger mit Kniebeschwerden wird operiert – und kommt im Rollstuhl zurück, das Laufen geht nun gar nicht mehr. Der megareiche David Rockefeller starb 2017 mit 101 Jahren nach dem "Einbau" seines 7. Herzens.
70jährige kocht schon lange nicht für sich. Sie zählt die Brotscheiben: Drei sind noch da. Das reicht bis übermorgen. Danach schaut sie bei der Backfactory rein.
Das Geschäft mit vereinsamten alten Menschen blüht. Wer gar keine Lust mehr hat, zu essen, bekommt eine Magensonde gesetzt. Herzschrittmacher, Defibrillatoren, künstlicher Darmausgang, mit anderen Legierungen unverträgliche Implantate im gesamten Körper, dienen dazu, die lukrative Kundschaft am Leben zu erhalten. Für welches Leben? Ein Leben mit Pampers, ohne Speiseröhre (auch das geht), mit Palliativdienst, herausgeschnittenen Metastasen? „Wenn Sie Ihre Medikamente nicht nehmen, fliegen Sie aus der Krankenkasse“, wurde einer Privatpatientin gedroht. Sie verschied daraufhin mehr oder minder freiwillig, schon um die Kosten für ihre Kinder zu sparen. Man wurde erst eine Weile später durch den Leichengeruch gestört. Wer es nicht selbst schafft, kann die Suizid-Industrie (Dignitas etc.) beauftragen. Eine alte Dame: "Können Sie mich einschläfern, wie man das bei Hunden macht?" (Selbst dort ist 'einschläfern' übrigens ein übler Euphemismus für eine schmerzhafte Prozedur).  Oder wie Robert Enke und Pharmazie-Boss Merckle, der sich verzockt hatte, einen Bahnführer schockieren.
Alte Männer krallen sich an jungen Menschen fest wie Vampire. Alte Frauen erhalten heute sogar in Indien eine Rente, während sie früher mit dem verstorbenen Gatten zusammen verbrannt wurden. Die Hölle aber bleibt. In unseren Breitengraden saß Oma im Lehnstuhl still am Ofen und hatte nichts zu melden. Heute sitzt sie in ihrer Komfort-Zelle und hat niemand mehr.
Lebensfreude? Das direkte Gespräch mit anderen? Ohne Fernsehen, Internet, Telefon? Analog statt digital? Unplugged? Selbst die jungen Leute suchen das inzwischen, zum Beispiel auf Festivals. Deshalb zeigt Ikea in fast jedem Prospektbild eine elektrische Gitarre oder ein anderes Instrument. Es fehlt an Hör-Region, an Kindern, am Familienleben, an Gemeinschaft überhaupt, vor allem an Verbundenheit. Das können die billigen Ikea-Möbel nicht ausgleichen, auch nicht teure Boxspring-Betten.
Höre in meinem Multikulti-Stadtteil die seltsamsten Sprachen. Deutsch können nur noch die Ureinwohnerinnen. Neue Migranten torkeln im Freizeitbereich umher, dominiert von den alteingesessenen Migranten. Wir haben doch jetzt alle kosmopolitisch zu sein, weltoffen, aber wie kommunizieren? Schon Albert Schweitzer und Rosa Luxemburg scheiterten. Nur die Konzerne sind global „erfolgreich“, indem sie sich die Dritte Welt frei bomben, die dann hier medizinisch wieder aufgerüstet wird. Ein doppeltes Geschäft: allein die Millionen künstlicher Gliedmaßen für afghanische Streubombenopfer!
Um auf die Alten zurückzukommen: Bei den nebenan im Gartenhäuschen wohnenden Roma sind sie - noch - integriert. Wenn von denen jemand ins Krankenhaus muss, wartet die gesamte Sippe vorm Friederikenstift. Die Kommunikation von Herz zu Herz funktioniert, obwohl zum Beispiel der Brautpreis nicht wirklich abgeschafft ist. Auffällig ist mir die Überzahl von Jungs in der Kinderschar. Ob da die Ultraschall-Industrie zur Selektion genutzt wurde?


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