der nachruf auf sie ist weiterhin sehr lesenwert:
Nachruf für Wienke
von Astrid Osterland
Wienke
Zitzlaff ist nicht
mehr unter uns. Am 4. März 2017 ist sie im Alter von 85 Jahren von uns
gegangen. Sie, nicht aber ihre Ideen und Visionen. Denn die hat sie mit uns,
den Mitarbeiterinnen der SAPPhO-Stiftung, lebendig erhalten. Wir werden in
diesem Sinne ihr ideelles und materielles Vermächtnis bewahren und weiter
entwickeln.
Ihr Leben
war geprägt von der Tatsache, dass sie die Schwester von Ulrike Meinhof war.
Solidarisch bis zum Tod der Jüngeren, ging sie gleichwohl bewusst einen anderen
Weg, um das zu verwirklichen, was ihnen beiden wichtig war: eine
(geschlechter)gerechte, solidarische Welt über alle nationalen, sexuellen,
ökonomischen, Alters- und sonstigen Grenzen hinweg. Eine Welt, in der nicht
zählt, was eine hat oder woher sie kommt, sondern wer sie ist, wofür sie
sich einsetzt. Wienkes Haltung war zutiefst antikapitalistisch,
antifaschistisch, antimilitaristisch und ganz und gar lesbisch-feministisch.
Das alles gehörte für sie selbstverständlich zusammen. Und so lebte sie auch.
Eingebunden in das Netzwerk ihrer politischen Freundinnen, zu denen auch wir,
die Frauen der SAPPhO-Stiftung zählten.
Sie mischte
sich ein und erprobte ihre Vision von einem solidarischen
Lebenszusammenhang in ihrem eigenen Wohnprojekt „Lesben hausen
e.V.“. „e.V!“ wohlgemerkt. Denn darauf kam es ihr an. Sie wollte
ihren Traum von gemeinschaftlichem Eigentum in Lesbenhand verwirklichen
und ihren Vorsatz, „die Häuser denen in die Hände zu geben, die darin wohnen“
gleich dazu. Was sie einbrachte war das Haus, ihr Eigentum. Was sie
daraus machte, war ein Verein aller Bewohnerinnen, die dieses Eigentum
gemeinschaftlich bewohnen und verwalten. Basisdemokratie und gemeinsame
Verantwortung für das, was ein solches Haus möglich macht: miteinander,
nicht nebeneinander leben und altwerden und sich gegenseitig zu unterstützen,
wenn es eng wird und frau alleine nicht zurechtkommt.
Dazu Wienke
Originalton: „Meine Grundgedanken sind: Gemeinsames Eigentum, das gemeinsam – und
bitte nicht zentralistisch – verantwortlich verwaltet und erhalten wird. So
habe ich mir Kommunismus, Sozialismus vorgestellt – und den Traum gebe
ich nicht auf“. Dieses Versprechen hat sie bis an ihr Lebensende gehalten
und ist mit ihren Wohnfreundinnen im gemeinsamen Haus alt geworden.
Als Linke
ging es ihr darum, die Macht des Eigentums zu brechen und das hieß für sie:
Vergemeinschaftung des Eigentums. Als Lesbe ging es ihr darum, eine
gemeinschaftliche Lebensform jenseits von Ehe und Familie zu verwirklichen.
In den 50er Jahren groß geworden, erfuhr Wienke den gesellschaftlichen Druck zur Ehe mit all den Abhängigkeiten, die das für Frauen bedeutete. Um Kinder zu bekommen, heiratete sie zwar, wohl wissend, dass dies damals unbedingte Voraussetzung für die Mutterschaft war. Sie wollte und bekam zwei Töchter und arbeitete sich langsam aus „der Forderung, eine männerorientierte Frau zu sein, heraus“. Genauer gesagt: sie ging viel weiter und lebte ihre Liebe, Freundschaft und Solidarität mit Frauen.
In den 50er Jahren groß geworden, erfuhr Wienke den gesellschaftlichen Druck zur Ehe mit all den Abhängigkeiten, die das für Frauen bedeutete. Um Kinder zu bekommen, heiratete sie zwar, wohl wissend, dass dies damals unbedingte Voraussetzung für die Mutterschaft war. Sie wollte und bekam zwei Töchter und arbeitete sich langsam aus „der Forderung, eine männerorientierte Frau zu sein, heraus“. Genauer gesagt: sie ging viel weiter und lebte ihre Liebe, Freundschaft und Solidarität mit Frauen.
„Für mich
ist lesbisch leben eine Lebensform“ und damit viel mehr als eine „sexuelle
Orientierung“, denn wir haben uns „dem Zwang zur Ehe entzogen“, weil wir
selbstbestimmt und unabhängig von einem „Ernährer“ leben wollen“. So das
selbstbestimmte Credo von Wienke, das ihrem Leben Richtung gab, als
berufstätige Frau mit zwei Kindern unabhängig von einem Mann zu leben.
Im Verein
SAFIA, Lesben gestalten ihr Alter fand sie ihre „lesbische Heimat“ und
Freundinnen, die sie lebenslang begleiteten. Wienke zählte auf die
Wahlverwandtschaft, nicht die Blutsverwandtschaft. Sie suchte die
Solidargemeinschaft mit Frauen, nicht die Versorgungsgemeinschaft mit einem
Mann.
Wienke
wusste nicht nur, was sie wollte, sondern sie wusste auch, wie konkret
umzusetzen ist, was ihr vorschwebte. Und als eines Tages die Frage aufkam: wie
können wir unsere Häuser, die wir gemeinschaftlich bewohnen und das Vermögen,
das wir uns erarbeitet haben, über die Generationen hinweg für Lesben erhalten,
gründete sie mit ihren SAFIA-Schwestern….na, was denn sonst? … eine Stiftung,
benannt nach der Dichterin SAPPhO, die wie kaum eine andere dafür steht, was
Frauen einander sein und erreichen können, wenn sie füreinander da sind.
Als alte
Linke dachte sie in ihren Wünschen nicht nur an sich selbst sondern
darüber hinaus. „Meine Idee ist, dass die Feministinnen/Lesben, die viel Geld
haben, sich mit denen zusammentun, die wenig haben und gemeinsam verantwortlich
ein Wohnprojekt gründen und verwalten. Damit nicht eine allein davon
profitiert, dass andere z.B. an ihrem Haus mitarbeiten, soll eine Stiftung
zwischengeschaltet werden: Eine Stiftung wird Eigentümerin des Hauses und
die Bewohnerinnen sind autonome Verwalterinnen“. Dafür braucht es einen Verein,
der die Verantwortung für alle Belange des gemeinschaftlichen Projektes
übernimmt. Die Stiftung als organisatorischer Boden für solidarisch-lesbische
Lebensformen über die Generationengrenzen hinweg. Das war ihr Traum, oder
genauer einer ihrer vielen Träume von einer besseren Welt.
Die
SAPPhO-Frauenwohnstiftung ist der Beitrag von Wienke und ihren Mitstreiterinnen
für die Erhaltung von Lebensräumen und Orten der Kommunikation, die Lesben ein
diskriminierungsfreies Zusammensein gerade auch im Alter ermöglichen.
In diesem
Geiste haben wir mit Dir, liebe Wienke, viele Jahre zusammengearbeitet, zum
Wohle der Stiftung und im Sinne der Lesben, die uns ihre Vermögenswerte
anvertraut haben, um sie in den Kreislauf der Solidargemeinschaft zurück zu
geben.
Das waren
bewegende und bewegte Jahre, die Du mit Deinem steten Einsatz für die Ziele der
Stiftung, Deinem geradlinigen Denken und Handeln und Deiner lesbischen
Solidarität mit uns gearbeitet und gestaltet hast. Wir werden Dich sehr
vermissen.
Dein Traum
ist auch unser Traum und wir werden weiter daran arbeiten, ihn Wirklichkeit
werden zu lassen. Das versprechen wir Dir
Deine
SAPPhO-Schwestern
Astrid, Esche, Gisela, Hila, Mubina, Renate, Ruth, Ute
Astrid, Esche, Gisela, Hila, Mubina, Renate, Ruth, Ute
Hier noch einige Links zu Wienke:
Es gibt
einen Film über Wienke:
anders leben
– Lesben im Alter
Der Film
anders leben – Lesben im Alter portraitiert drei alte Lesben: Wienke, die
ehemalige Sonderschul-Rektorin und politische Aktivistin, Hannelore, die
frühere Leistungssportlerin, und Christel, die Besitzerin einer der ersten
Lesbenkneipen im Nachkriegs-Berlin.
Ein Film
über drei selbstbewusste, unkonventionelle Frauen. Ein Film übers „Normal-“ und
„Anderssein“, über Verdrängung und Befreiung. Nicht zuletzt auch: Eine Hommage
ans Älterwerden.
Deutschland
2005, 60 Min.
Regie, Schnitt: Isabel Rodde
Kamera: Alexandra Czok, Beate Middeke, Andreas Buhr, Isabel Rodde
Produktion: medien konkret, Büro für Kultur- und Medienprojekte, Hannover
zum jahrestag und wegen der politischen lage noch schnell ein wenig eigene hannoversche historie. mein interview mit ihr: https://www.youtube.com/watch?v=gByExYpYn94
Regie, Schnitt: Isabel Rodde
Kamera: Alexandra Czok, Beate Middeke, Andreas Buhr, Isabel Rodde
Produktion: medien konkret, Büro für Kultur- und Medienprojekte, Hannover
zum jahrestag und wegen der politischen lage noch schnell ein wenig eigene hannoversche historie. mein interview mit ihr: https://www.youtube.com/watch?v=gByExYpYn94
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