Donnerstag, 6. Oktober 2016

Oskar Negt will, dass wir ein Stück Macht über die eigenen Verhältnisse haben! Buch-Rezension von Ingeburg Peters


Wir haben Flüchtlinge, würde der Dichter Rilke sagen. Wirklichkeit ist das, was der Fall ist, schrieb Philosoph Wittgenstein.
Und nun - 3mal dürfen Sie raten, wer - hat unser berühmter hannoverscher Ableger der Frankfurter Schule - keine Geistesgröße im Format Kant, der sein Königsberg ein Leben lang nicht verließ; aber immerhin beruft er sich auf ihn - Vielschreiber Oskar Negt also, 82 Jahre, natürlich zu dem Thema Flucht auch noch etwas in der Schublade, wie er zu allem etwas Gebildetes beizusteuern hat. Ja, er war sogar selbst Flüchtling. Zitiert Marx, dass niemand vertrieben werden dürfe.
Das frisch ausgebrütete literarische Ei heißt ÜBER LEBENSGLÜCK, eine autobiografische Spurensuche, erscheint bei Steidl in Göttingen, dem ästhetischen Verlag, der auch für die Gewerkschaft und Karl Lagerfeld druckt.
Negt fordert nachdrücklich eine Lösung für das Flüchtlingsproblem, wer hätte das gedacht.
Und berichtet über die glückliche Kindheit von Adorno in Amorbach und seine eigene Phantasieentwicklung beim Spielen im Hof als unabdingbar nötige, ein Leben lang schützende Glückserfahrungen, die helfen, Vertreibung zu überstehen. Dass Schutz vielleicht etwas mit Frauen zu tun haben könnte, wird nicht erwähnt, obwohl er doch während der Flucht die ganze Zeit am Rockzipfel seiner Schwestern hing.
Nun - in der Lenaustraße, das ist die beinharte Straße mit dem Namen des romantischen Dichters Nikolaus Lenau in Hannover-Mitte, der mit vollem Namen Niembsch Edler von Strehlenau hieß, wohin GlockseeSchuleGründer Negt "seine" späten Kinder in die Krabbelgruppe brachte, dort also wird derzeit in Nr. 11 die gesamte Mieterschaft rausgesetzt, für ein Hotel, wie es heißt, denn Hannover verdient sehr gut am Tourismus.
Das daneben liegende Haus 11A wurde vom vormaligen Eigentümer mit einer von mir stammenden Hostel-Idee an den Käufer gebracht und beherbergt nun Appartements (selbstredend falsch geschrieben), aus denen geldgierig zu meinem Hinterhaus herübergeblickt wird, als sei das auch bald dran.
Es heißt, das Vorderhaus Lenaustr.12 solle auch verkauft werden, die Studenten müssen alle raus, Hotel rein. Gentrifizierung vom Brutalsten also.
Ich erwarte Sie zum Tee, Herr Negt, um über Lebensglück zu sprechen, den bevorstehenden Krieg, die Angst der Wohnungseigentümer im Ihme-Zentrum, unser aller Sorge vor Vertreibung.
Ach nein, lassen wir's, es wird doch nur ein gelehrter Diskurs werden. Über Proust und dessen kindlicher Liebe zu Combray und so weiter. Kein Happy End in Sicht.




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