Samstag, 22. Oktober 2016

Am Ende entscheiden nationale Zulassungsstellen darüber, ob ein Medikament an den Markt kommt


Hannover- Die ethische Verantwortung beginnt beim eigenen Handeln. Was kaufe ich? Wie wichtig sind mir ein fairer Handel, eine faire Bezahlung, kurze Lieferwege, um Ressourcen zu schonen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren?Das alles sind nicht nur Fragen der persönlichen Einstellung sondern des bewussten Handelns mit Blick auf eine gerechtere Welt. Ethische Verantwortung eben, deren Rahmenbedingungen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft festgezurrt werden. Die ethische Verantwortung der Pharmaindustrie bei der Medikamentenentwicklung, insbesondere bei den klinischen Prüfungen, stand im Fokus eines spannenden Vortragsvormittags mit hochkarätigen Referenten, den Prof. Dr. Gerhard Fortwengel sowie Prof. Dr. Nadia Tornieporth zusammen mit ihren Mitarbeitenden  anlässlich des 1. Weltbioethiktags initiiert hatten.Fortwengel lehrt an der Fakultät III, betreut den Masterstudiengang „Medizinisches Informationsmanagement“ und ist Leiter der deutschen Einheit des Internationalen Netzwerks des UNESCO Lehrstuhls für Bioethik. Im Rahmen des UNESCO-Netzwerkes ist er verantwortlich als EU-Koordinator des Welt-Bioethik-Tages für alle Netzwerkgruppen mit Sitz in der EU.Seine Kollegin Prof. Dr. Nadia Tornieporth arbeitet im Bereich klinische Studien und Arzneimittelsicherheit.Ihre Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Entwicklung und Überwachung von Arzneimitteln und Impfstoffen von der Präklinik bis nach der Marktzulassung und die Qualität in der klinischen Forschung. „Früher hat Forschung Ethik ausgeklammert. Unliebsame Studien, die nicht die gewünschten Erkenntnisse fundamentierten, wanderten in die Schublade.Das war gestern.Mittlerweile gibt es einen Ethik-Kodex, der den persönlichen Vorteil des Menschen in den Fokus stellt und dem sich die Forschung schon aus ganz pragmatischen Gründen verpflichtet fühlt.Denn am Ende entscheiden nationale Zulassungsstellen darüber, ob ein Medikament an den Markt kommt oder nicht. Und die Entscheidung fußt auf den Studien und deren transparenten wie validen Daten“, sagte Prof. Dr. med. Frank von Sonnenburg, Leiter des Klinischen Studienzentrum am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, zum Start in den Veranstaltungstag im vollen Hörsaal der Fakultät III an der Expo Plaza.Der Facharzt für Infektions- und Tropenmedizin ist als gefragter Experte seit Jahren an der klinischen Prüfung von Dengue-Impfstoffen beteiligt. An der HsH präsentierte er jetzt aktuellste Erkenntnisse.„Das Dengue-Fieber ist eine Viruserkrankung, die von Mücken übertragen wird, und vor allem in Slums und Großstädten der dritten Welt immer wieder epidemisch ausbricht“, sagte von Sonnenburg. Zweieinhalb Milliarden Menschen leben im Dunstkreis des Dengue-Virus. 55 Millionen erkranken jährlich daran, 22 000 sterben.Nicht die Todesrate erzwingt die 500 bis 800 Millionen teure Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs, sondern die Tatsache, dass beim Ausbruch einer Epidemie die Krankenhäuser überlaufen werden und das Gesundheitssystem quasi zusammenbricht.„Eigentlich ist das Dengue-Fieber eine harmlose Krankheit, die Epidemie ist das Problem und die Tatsache, dass es vier Sero-Typen gibt.Sero-Typen sind Variationen von Subspezies von Bakterien oder Viren.Sie stellten bei der Erforschung des Dengue-Fiebers den entscheidenden Grund dafür dar, warum man sich Jahrzehnte nicht an die Entwicklung des Impfstoffs herangetraut hat.Denn hätte man Sero-Typ eins erfolgreich bekämpft, wäre Sero-Typ zwei erstarkt und die nächste Epidemie umso schlimmer ausgefallen. Darum forderte die WHO ein Impfserum, dass alle vier Sero-Typen erfolgreich bekämpft“, sagte von Sonnenburg.Keine leichte Aufgabe.Die klinischen Studien wurden seit 2010 in vier Phasen mit unterschiedlichen Probandengruppen in Mexiko, Thailand, Südostasien und Südamerika durchgeführt.Mittlerweile ist der Impfstoff in Südamerika zugelassen.Als zweite Referentin nahm Dr. Opokua Ofori-Anyinam die Studierenden „mit“ nach Afrika, einem Kontinent, der gerne und häufig für klinische Testreihen ausgewählt wird.Die gebürtige Ghanaerin ist Senior Managerin bei GlaxoSmithKline Biologicals für die klinische Entwicklung von Impfstoffen in Belgien und ist die anerkannte „Stimme“ der Ethik und Transparenz.„80 Prozent der Menschen leben außerhalb der EU und der USA.Daher ist es wichtig, sich den Herausforderungen der globalisierten klinischen Forschung zu stellen“, sagte Ofori-Anyinam.Afrika bietet sich für klinische Tests aus vielerlei Gründen an. Neben den geringeren Kosten und einer eher unkritischen Haltung, sich als Proband zur Verfügung zu stellen,  sind die Menschen dort nicht durch die Einnahmen anderer Medikamente „vorbelastet“.Um nicht die Gesundheitspflege gegen die Experimentierfreudigkeit auszuspielen, sei es deshalb umso wichtiger, die klar definierten ethischen Standards auch lokal zu verankern.„Dafür muss man die unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Eigenarten mit berücksichtigen, die politischen Kräfte mit einbinden, damit am Ende jeder Proband sowie die Gesellschaft im Land der Studiendurchführung einen Vorteil hat  – weil es genau darum geht“, sagte Ofori-Anyinam.Zum Finale des erstmalig stattgefundenen Weltbioethiktages gab es noch eine weitere Premiere:Den im Juni während der Summerschool der HsH von Studierenden produzierten Film „Within my small circle - Bioethik im Alltag“  - 13 Minuten, die zum Nachdenken über Konsum und gelernte Verhaltensmuster im Umgang mit Ressourcen anregen soll, sowohl im Rahmen als auch  außerhalb der Medikamentenforschung. Der Film wird in Kürze über YouTube zu sehen sein und wurde bereits am Weltbioethiktag in Griechenland und Israel gezeigt. Im kommenden Jahr wird der Film darüber hinaus auf der Globalen Bioethik Konferenz in Limassol/Zypern gezeigt werden.
Dies ist eine Presseinformation, kopiert und eingefügt


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