Hannover-
Die
ethische Verantwortung beginnt beim eigenen Handeln. Was kaufe ich? Wie
wichtig sind mir ein fairer Handel, eine faire Bezahlung, kurze
Lieferwege, um Ressourcen zu schonen und den CO2-Ausstoß
zu reduzieren?Das alles sind nicht nur Fragen der persönlichen
Einstellung sondern des bewussten Handelns mit Blick auf eine gerechtere
Welt. Ethische Verantwortung eben, deren Rahmenbedingungen von Politik,
Wirtschaft und Wissenschaft festgezurrt werden.
Die ethische Verantwortung der Pharmaindustrie bei der
Medikamentenentwicklung, insbesondere bei den klinischen Prüfungen,
stand im Fokus eines spannenden Vortragsvormittags mit hochkarätigen
Referenten, den Prof. Dr. Gerhard Fortwengel sowie Prof. Dr. Nadia
Tornieporth zusammen mit ihren Mitarbeitenden anlässlich des 1.
Weltbioethiktags initiiert hatten.Fortwengel
lehrt an der Fakultät III, betreut den Masterstudiengang „Medizinisches
Informationsmanagement“ und ist Leiter der deutschen Einheit des
Internationalen
Netzwerks des UNESCO Lehrstuhls für Bioethik. Im Rahmen des
UNESCO-Netzwerkes ist er verantwortlich als EU-Koordinator des
Welt-Bioethik-Tages für alle Netzwerkgruppen mit Sitz in der EU.Seine
Kollegin Prof. Dr. Nadia Tornieporth arbeitet im Bereich klinische
Studien und Arzneimittelsicherheit.Ihre Forschungsschwerpunkte sind
unter anderem die Entwicklung und Überwachung von Arzneimitteln und
Impfstoffen von der Präklinik bis nach der Marktzulassung und die
Qualität in der klinischen Forschung.
„Früher
hat Forschung Ethik ausgeklammert. Unliebsame Studien, die nicht die
gewünschten Erkenntnisse fundamentierten, wanderten in die Schublade.Das war gestern.Mittlerweile gibt es einen Ethik-Kodex, der den
persönlichen Vorteil des Menschen in den Fokus stellt und dem sich die
Forschung schon aus ganz pragmatischen Gründen verpflichtet fühlt.Denn
am Ende entscheiden nationale Zulassungsstellen
darüber, ob ein Medikament an den Markt kommt oder nicht. Und die
Entscheidung fußt auf den Studien und deren transparenten wie validen
Daten“, sagte Prof. Dr. med. Frank von Sonnenburg, Leiter des Klinischen
Studienzentrum am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität
München, zum Start in den Veranstaltungstag im vollen Hörsaal der
Fakultät III an der Expo Plaza.Der Facharzt für Infektions- und Tropenmedizin ist als gefragter Experte
seit
Jahren an der klinischen Prüfung von Dengue-Impfstoffen beteiligt. An
der HsH präsentierte er jetzt aktuellste Erkenntnisse.„Das
Dengue-Fieber ist eine Viruserkrankung, die
von Mücken übertragen wird, und vor allem in Slums und Großstädten der
dritten Welt immer wieder epidemisch ausbricht“, sagte von Sonnenburg.
Zweieinhalb
Milliarden Menschen leben im Dunstkreis des Dengue-Virus. 55 Millionen
erkranken jährlich daran, 22 000 sterben.Nicht die Todesrate
erzwingt die 500 bis 800 Millionen teure Entwicklung eines wirksamen
Impfstoffs, sondern die Tatsache, dass beim Ausbruch einer Epidemie die
Krankenhäuser überlaufen werden und das Gesundheitssystem quasi
zusammenbricht.„Eigentlich ist das Dengue-Fieber eine
harmlose Krankheit, die Epidemie ist das Problem und die Tatsache, dass
es vier Sero-Typen gibt.Sero-Typen sind Variationen von Subspezies von
Bakterien oder Viren.Sie stellten bei der Erforschung des
Dengue-Fiebers den entscheidenden Grund dafür dar, warum
man sich Jahrzehnte nicht an die Entwicklung des Impfstoffs
herangetraut hat.Denn hätte man Sero-Typ eins erfolgreich bekämpft,
wäre Sero-Typ zwei erstarkt und die nächste Epidemie umso schlimmer
ausgefallen. Darum forderte die WHO ein Impfserum, dass alle
vier Sero-Typen erfolgreich bekämpft“, sagte von Sonnenburg.Keine
leichte Aufgabe.Die klinischen Studien wurden seit 2010 in vier Phasen
mit unterschiedlichen Probandengruppen in Mexiko, Thailand, Südostasien
und Südamerika durchgeführt.Mittlerweile ist der Impfstoff in
Südamerika zugelassen.Als
zweite Referentin nahm Dr. Opokua Ofori-Anyinam die Studierenden „mit“
nach Afrika, einem Kontinent, der gerne und häufig für klinische
Testreihen ausgewählt wird.Die gebürtige Ghanaerin ist Senior
Managerin bei GlaxoSmithKline Biologicals für die klinische Entwicklung
von Impfstoffen in Belgien und ist die anerkannte „Stimme“ der Ethik und
Transparenz.„80 Prozent der Menschen leben außerhalb
der EU und der USA.Daher ist es wichtig, sich den Herausforderungen
der globalisierten klinischen Forschung zu stellen“, sagte
Ofori-Anyinam.Afrika
bietet sich für klinische Tests aus vielerlei Gründen an. Neben den
geringeren Kosten und einer eher unkritischen Haltung, sich als
Proband zur Verfügung zu stellen, sind die Menschen dort nicht durch
die Einnahmen anderer Medikamente „vorbelastet“.Um nicht die
Gesundheitspflege gegen die Experimentierfreudigkeit auszuspielen, sei
es deshalb umso wichtiger, die klar definierten ethischen
Standards auch lokal zu verankern.„Dafür muss man die
unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Eigenarten mit
berücksichtigen, die politischen Kräfte mit einbinden, damit am Ende
jeder Proband sowie die Gesellschaft im Land der Studiendurchführung
einen Vorteil hat – weil es genau darum geht“, sagte Ofori-Anyinam.Zum
Finale des erstmalig stattgefundenen Weltbioethiktages gab es noch eine
weitere Premiere:Den im Juni während der Summerschool der HsH von
Studierenden produzierten Film „Within my small circle - Bioethik im
Alltag“ - 13 Minuten, die zum Nachdenken über Konsum und gelernte
Verhaltensmuster im Umgang mit Ressourcen anregen soll, sowohl im Rahmen
als auch außerhalb der Medikamentenforschung. Der Film wird in Kürze über YouTube zu sehen sein und wurde bereits am
Weltbioethiktag in Griechenland und Israel gezeigt. Im kommenden Jahr
wird der Film darüber hinaus auf der Globalen Bioethik Konferenz in
Limassol/Zypern gezeigt werden.
Dies ist eine Presseinformation, kopiert und eingefügt
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