„Ingeburg Peters, der Name ist bekannt“, sagte Aissar,
Inhaber des Handy-Reparaturshops Goethestraße, die jetzt zum Boulevard
ausgestaltet ist. Und ungläubig, erstaunt, zweifelnd: „Sind Sie das?“ Diese unscheinbare
alte Frau, das soll Ingeburg Peters sein, deren Name 40 Jahre lang mit ihren
Anzeigenblättern durch Verteiler von City bis Linden gestreut wurde? Sagte
er natürlich nicht. Später: „Damit können Sie bei Google Geld verdienen,
pro Tag 30 Euro und mehr." Ob ich das wüsste? Bin dazu nicht clever
genug. Aber die Anzeigenblätter waren geballte Kunst und Gesellschaftspolitik, meine Performance im Rahmen des Möglichen, jetzt online.
Hörte dort zum zweiten Mal, dass mein Name offenbar
bekannt ist, jedoch niemand ihn mit meiner Person verbindet. Quasi Cocacola ohne Flasche?
Beim ersten Mal interessierte ich mich für einen Hinterhof an
der Stephanusstraße, als eine Frau nach meinem Ansinnen
fragte. Nannte meinen Namen und mein Interesse und sie betonte, der Name
sage ihr etwas.
Durch die zwei Erlebnisse in meinem Selbstbewusstsein
angefixt, sprach ich ermutigt an der Ampel
bei Rot eine korrekt gekleidete Frau an, die ich seit Jahrzehnten per Fahrrad,
mit und ohne Hund, und nun zu Fuß wahrnehme. In der überheblichen Annahme,
Ähnliches sei in ihr vor sich gegangen, stellte ich mich nicht vor, sondern
sagte ohne jegliche Einleitung: „Darf ich fragen, wie alt Sie sind?“ Das
nämlich interessierte mich 70jährige sehr, weil sie viel älter sein musste als
ich, an der Zeitspanne gemessen, in der wir aneinander vorbeigelaufen waren,
denn sie sah ausgesprochen gut aus, gepflegt und „in shape“, ein Role Model der bevorstehenden Demenz-Revolution.
Sie war entsetzt. „Was geht Sie das an? Wir kennen uns
überhaupt nicht und Sie haben sich nicht einmal vorgestellt!!!“, herrschte sie
mich aggressiv an. War schlagartig seelisch am Boden zerstört. Das genau passiert mir
nämlich seit fast 50 Jahren. Bin im Prinzip schon immer unsichtbar gewesen, nicht
erst jetzt als alte Frau. Die beiden anfangs erwähnten Äußerungen
unterstreichen es.
So wie einer von #FuryintheSlaughterhouse auf dem #Glocksee-Gelände
einen anderen auf mich hinwies, die da vorbei ging. Auf mich zeigte. Und der
sagte: „Wer ist das denn überhaupt?“ Und der Fury-Gitarrist antwortete: „Das
ist die, die immer so böse guckt.“ Seitdem lächele ich ihn an, aber das Image
der bösen Frau bleibt wohl bis ans Ende meiner Tage an mir haften. Wo ich
wohlmeinend war, drehte man es ins Begünstigt sein. Frauenschicksal eben.
Doch zurück zu der Dame an der Ampel. Versuchte eine Entschuldigung,
indem ich argumentierte, dass ich im Englischen sehr wohl einleitende Floskeln
benutze, aber im Deutschen käme der Journalistenfluch zu Zuge, redete
eigentlich nur um meine Enttäuschung herum, dass sie mich nicht
(wieder)erkannte.
Da sagte sie plötzlich: „Sind Sie etwa Frau Peters?“ Es war
earth shattering, tief erschütternd, dass sie tatsächlich meinen Namen
kannte, wenn auch nicht mich.
Scheine eine Marke ohne (anerkannten?) Inhalt zu sein, ein Nichts, das
Zeitungen performte (jetzt online), während mein zeitweiliger Mitbewohner Teestunden zelebrierte, an denen
ich aus purer Erschöpfung teilnahm, als Inselchen der Gemütlichkeit im
Strom des Anzeigenanwerbens, Textens, Fotografierens, Layoutens, der Zeitungsträgerkontrolle,
des Selbstverteilens. Auf meinem Grabstein sollte aber nur eingemeißelt sein:
„Sie starb an der Druckvorstufe“.
Little Red Hiding Hood hat dennoch ein Lebenswerk geschaffen, das sich sehen
lassen kann. Nur glaubt mir das keine*r, es ist wie mit dem Namen und meiner
Person. Ein Abgrund klafft.
Karin in ihrer Dachwohnung, die wir Nachbarn gemeinschaftlich
kläglich verrecken ließen, sagte einst zu mir: „Ich halte sehr viel von dir.
Vielleicht wirst du ja noch nach deinem Tode berühmt.“ Das glaube ich nicht,
aber es war sehr nett von ihr, das zu sagen. ip
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