Montag, 8. April 2019

Ich bin Ingeburg Peters?




„Ingeburg Peters, der Name ist bekannt“, sagte Aissar, Inhaber des Handy-Reparaturshops Goethestraße, die jetzt zum Boulevard ausgestaltet ist. Und ungläubig, erstaunt, zweifelnd: „Sind Sie das?“ Diese unscheinbare alte Frau, das soll Ingeburg Peters sein, deren Name 40 Jahre lang mit ihren Anzeigenblättern durch Verteiler von City bis Linden gestreut wurde? Sagte er natürlich nicht. Später: „Damit können Sie bei Google Geld verdienen, pro Tag 30 Euro und mehr." Ob ich das wüsste? Bin dazu nicht clever genug. Aber die Anzeigenblätter waren geballte Kunst und Gesellschaftspolitik, meine Performance im Rahmen des Möglichen, jetzt online.
Hörte dort zum zweiten Mal, dass mein Name offenbar bekannt ist, jedoch niemand ihn mit meiner Person verbindet. Quasi Cocacola ohne Flasche?
Beim ersten Mal interessierte ich mich für einen Hinterhof an der Stephanusstraße, als eine Frau nach meinem Ansinnen fragte. Nannte meinen Namen und mein Interesse und sie betonte, der Name sage ihr etwas.
Durch die zwei Erlebnisse in meinem Selbstbewusstsein angefixt, sprach ich ermutigt an der Ampel bei Rot eine korrekt gekleidete Frau an, die ich seit Jahrzehnten per Fahrrad, mit und ohne Hund, und nun zu Fuß wahrnehme. In der überheblichen Annahme, Ähnliches sei in ihr vor sich gegangen, stellte ich mich nicht vor, sondern sagte ohne jegliche Einleitung: „Darf ich fragen, wie alt Sie sind?“ Das nämlich interessierte mich 70jährige sehr, weil sie viel älter sein musste als ich, an der Zeitspanne gemessen, in der wir aneinander vorbeigelaufen waren, denn sie sah ausgesprochen gut aus, gepflegt und „in shape“, ein Role Model der bevorstehenden Demenz-Revolution.
Sie war entsetzt. „Was geht Sie das an? Wir kennen uns überhaupt nicht und Sie haben sich nicht einmal vorgestellt!!!“, herrschte sie mich aggressiv an. War schlagartig seelisch am Boden zerstört. Das genau passiert mir nämlich seit fast 50 Jahren. Bin im Prinzip schon immer unsichtbar gewesen, nicht erst jetzt als alte Frau. Die beiden anfangs erwähnten Äußerungen unterstreichen es.
So wie einer von #FuryintheSlaughterhouse auf dem #Glocksee-Gelände einen anderen auf mich hinwies, die da vorbei ging. Auf mich zeigte. Und der sagte: „Wer ist das denn überhaupt?“ Und der Fury-Gitarrist antwortete: „Das ist die, die immer so böse guckt.“ Seitdem lächele ich ihn an, aber das Image der bösen Frau bleibt wohl bis ans Ende meiner Tage an mir haften. Wo ich wohlmeinend war, drehte man es ins Begünstigt sein. Frauenschicksal eben.
Doch zurück zu der Dame an der Ampel. Versuchte eine Entschuldigung, indem ich argumentierte, dass ich im Englischen sehr wohl einleitende Floskeln benutze, aber im Deutschen käme der Journalistenfluch zu Zuge, redete eigentlich nur um meine Enttäuschung herum, dass sie mich nicht (wieder)erkannte.
Da sagte sie plötzlich: „Sind Sie etwa Frau Peters?“ Es war earth shattering, tief erschütternd, dass sie tatsächlich meinen Namen kannte, wenn auch nicht mich.
Scheine eine Marke ohne (anerkannten?) Inhalt zu sein, ein Nichts, das Zeitungen performte (jetzt online), während mein zeitweiliger Mitbewohner Teestunden zelebrierte, an denen ich aus purer Erschöpfung teilnahm, als Inselchen der Gemütlichkeit im Strom des Anzeigenanwerbens, Textens, Fotografierens, Layoutens, der Zeitungsträgerkontrolle, des Selbstverteilens. Auf meinem Grabstein sollte aber nur eingemeißelt sein: „Sie starb an der Druckvorstufe“.
Little Red Hiding Hood hat dennoch ein Lebenswerk geschaffen, das sich sehen lassen kann. Nur glaubt mir das keine*r, es ist wie mit dem Namen und meiner Person. Ein Abgrund klafft.
Karin in ihrer Dachwohnung, die wir Nachbarn gemeinschaftlich kläglich verrecken ließen, sagte einst zu mir: „Ich halte sehr viel von dir. Vielleicht wirst du ja noch nach deinem Tode berühmt.“ Das glaube ich nicht, aber es war sehr nett von ihr, das zu sagen. ip





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