Pressemitteilung
Putenfleisch aus Discountern mit Krankheitskeimen belastet.
Risiken und Nebenwirkungen der industriellen Tierhaltung weiter inakzeptabel
Berlin: Auf 88 Prozent der bei Discountern gekauften
Putenfleisch-Proben hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
antibiotikaresistente Keime gefunden. Laboruntersuchungen der
Fleisch-Stichproben von Aldi, Lidl, Netto, Penny und Real, eingekauft in bzw. um
Berlin, Hamburg, Dresden, Leipzig, Hannover, Göttingen, München, Nürnberg,
Frankfurt, Mannheim, Köln und Stuttgart, wiesen sowohl MRSA-Keime als auch
ESBL-bildende Keime nach. Insgesamt wurden bundesweit knapp 60 Proben auf
antibiotikaresistente Keime getestet.
Über 90 Prozent der Puten erhalten während der Mast Antibiotika.
Das begünstigt die Bildung antibiotikaresistenter Keime in der industriellen
Putenhaltung - wie auch bei anderen Tierarten in Massentierhaltungsanlagen. Mit
dem Fleisch gelangen die Antibiotikaresistenzen bis in die Küchen der
Verbraucher. Dies birgt das Risiko der Übertragung auf Menschen und im Falle
von Infektionen die Gefahr, dass Antibiotika zunehmend wirkungslos werden.
Insbesondere bei anfälligen Menschen können ESBL-produzierende
Darmkeime (Extended Spectrum Beta-Lactamase) eine Behandlung mit Antibiotika
extrem erschweren, MRSA-Keime (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus)
wiederum können auch direkt schwere Infektionen auslösen. In Deutschland
sterben Schätzungen der deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zufolge
pro Jahr bis zu 40000 Menschen, weil Antibiotika nicht mehr wirken.
Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: „Rund neun von zehn
Putenfleisch-Proben aus deutschen Discountern sind unseren Tests zufolge mit
antibiotikaresistenten Keimen belastet. Das ist ein klares Zeichen für
fortgesetzten Antibiotika-Missbrauch in der Geflügelmast. Dieser ist nicht nur
dafür mitverantwortlich, dass wichtige Medikamente ihre lebensrettende Wirkung
verlieren. Das erschreckende Ausmaß der Kontamination von Lebensmitteln mit
diesen Risikokeimen ist vor allem ein deutliches Warnsignal vor den Risiken und
Kollateralschäden der industriellen Tierhaltung.“
Die Produktion von Billigfleisch bedeute immer, dass eine zu hohe
Zahl von Nutztieren auf zu wenig Raum gehalten werde, und das sei nur unter
Einsatz großer Mengen von Antibiotika möglich, so der BUND-Vorsitzende.
„Bundesagrarminister Christian Schmidt muss handeln. Er muss verbindliche Pläne
zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes und zum Verbot von Reserveantibiotika
in Tierfabriken aufstellen“, sagte Weiger.
Die BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning wies darauf hin, dass kein
einziger der Putenfleisch-Lieferanten in der Lage gewesen sei, Ware anzubieten,
die durchgängig nicht mit Antibiotikaresistenzen belastet ist. „Sämtliche
Schlachthofkonzerne und Zerlegebetriebe, die das von uns getestete Putenfleisch
an die Discounter geliefert haben, gehören dem von der Agrar- und
Lebensmittelwirtschaft eingerichteten Qualitätssicherungssystem QS an. Und
trotzdem ist das Fleisch massiv mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Das
zeigt, dass Änderungen im Tierschutz- und im Arzneimittelrecht notwendig sind,
um die Schwächen dieses so genannten Qualitätssicherungssystems abzustellen“,
sagte Benning. So trugen 20 von 21 untersuchten Putenfleischproben, die vom
größten deutschen Geflügelfleischkonzern - der PHW-Gruppe - stammen,
antibiotikaresistente Keime. Von 21 Fleischproben der Firma Heidemark,
ebenfalls einer der größten Putenfleischproduzenten, waren 19 belastet. Fünf
der sechs getesteten Proben von Sprehe, einem weiteren großen Geflügelproduzent
in Deutschland, wiesen antibiotikaresistente Keime auf.
Verboten werden müsse vor allem der Einsatz von in der
Humanmedizin nicht selten überlebenswichtigen Reserveantibiotika. Benning: „Wir
brauchen eine Novelle des Arzneimittelgesetzes, die Reserveantibiotika umgehend
aus der Intensivtierhaltung verbannt. In den Niederlanden, Dänemark und
Frankreich sind diese Wirkstoffe in der industriellen Tierhaltung bereits
weitgehend verschwunden, in Deutschland scheinen jedoch die Interessen der
Fleischbranche über dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu stehen.“
Benning forderte außerdem Rechtsänderungen für Tierärzte: „Rund 80 Prozent der in
der Tierhaltung eingesetzten Antibiotika werden von nur fünf Prozent der
Tierarztpraxen verkauft, die bei Großeinkäufen für Riesenställe lukrative
Rabatte erhalten. Ein geändertes Arzneimittelgesetz muss diese
Praxis beenden und dem Schutz der menschlichen Gesundheit wieder Geltung
verschaffen.“
Damit in Zukunft möglichst wenig Antibiotika eingesetzt werden,
müssten die Tierhalter außerdem gezielte Beratung und Unterstützung zur
Verbesserung der Haltungsbedingungen ihrer Tiere und zur Vermarktung alternativ
erzeugter Lebensmittel erhalten. Dumpingpreise unterhalb der Erzeugerkosten für
Billigfleisch müssten verboten werden.
Der BUND ruft für den 17. Januar unter dem Motto „Wir haben es
satt - Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ gemeinsam mit anderen Organisationen zum
fünften Mal in Folge zur Großdemonstration für Reformen in der Agrarpolitik
auf.
Die BUND-Analyse zu antibiotikaresistenten Keimen auf Putenfleisch
finden
Sie als pdf zum Download unter: www.bund.net/antibiotika-resistenzen
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