Sonntag, 15. Mai 2011

selbst-mörder gunter sachs

auf sylt, im kampener pony, brauchte er mit gefolge trotz wohlhabenheit nie einen drink zu zahlen, im gegenteil, seine anwesenheit belebte den umsatz um ein vielfaches.
nun hat ex-playboy gunter sachs mit 78 selbst-mord begangen, um einer krankheit zu entgehen. wie jämmerlich ähnlich darin seinem vater, der sich erschoss. auch ähnlich dem dichter max frisch, immer nur nach der lust im leben zu schauen. da hilft kunst sammeln letztlich nicht mehr. die schweiz ist voll von mausoleen depressiver millionärs-sammlungen (zitat alexander dill).
als gunter sachs' bruder sich per hubschrauber auf einen gletscher fliegen ließ, um eine möglichst schöne lange ski-abfahrt zu haben, die hubschrauber-besatzung aber samt sachs-bruder tödlich abstürzte, äußerte sich damals die bild in etwa, manche jet-set-leute würden den bogen wohl überspannen.
daraufhin schaltete gunter sachs dort eine ganzseitige anzeige, wie widerwärtig er den text in bild fände.
sicher - wo und wie man sein ende findet, ist ungewiss. ein hannoverscher pr-mann stürzte in kanada bei der bärenjagd ebenfalls mit dem hubschrauber in den tod.
aber selbst-mord zu machen, ist für mich immernoch ganz im kantschen kategorischen imperativ mord, und zwar, ohne einen religiösen hintergrund dazu bemühen zu müssen.
wer den körper nicht auch im leiden anerkennt, ihn als seinen leib akzeptiert, wenn er versagt, öffnet tür und tor für die moral einer euthanasie, gen-technik, organ-handel. warum wird denn heute ein hirntoter als tot definiert, während es früher der herztote war? weil auf diese weise der blutwarme körper als organspender noch zu verwerten ist?
krankheit und leiden ist für alle beteiligten herausforderung schlechthin, daran zu wachsen, in jedem fall für die angehörigen.

auch den selbstmord von robert enke finde ich unangemessen verklärt im öffentlichen bewusstsein. es wird geradezu ein enke-kult getrieben, während milliardär merckle (ratiopharm u.a.), der nach fehl-spekulationen die anti-depressiva seiner firma nicht einnahm, mit denen millionen von leibern ruhiggestellt werden, und sich ebenfalls auf die gleise setzte, vom eigenen sohn in großer betroffenheit als verschlossener, emotions-verbergender typ geschildert wurde. enke hatte über einen ausstieg aus dem fußball nachgedacht. hätte er es doch getan!
lafargue hat im anschluss an einen glanzvollen opernbesuch 1911 mit der tochter von karl marx und sophie von westfalen selbstmord begangen. er fürchtete von der sozialistischen partei repressalien. wieviel geist an jenem abend doch im orkus verschwunden ist...
eine bekannte, die furchtbaren stress hat, jammert und jammert, ohne irgendwas konstruktives in ihrer sache zu unternehmen, bat mich aber allen ernstes, sie in die schweiz zu begleiten, sie wolle sich "einschläfern" lassen.
auch übrigens so ein problem: dies euphemistisch verharmlosende wort "einschläfern". die meisten tödlichen medikamente wirken ziemlich heftig. wir wollen ja gar nicht vom zyankali der nazis reden, ein übler todeskampf findet da statt.
ich kenne in hannover einen fall einer unheilbar kranken frau, die mit fremdhilfe ihre letzten tage ausgestaltete. nur der schluss war dann doch nicht so schläfrig wie gewünscht, es gab komplikationen.
wer leiden, krankheit und sterben nicht zu seinem leben gehörig akzeptieren kann, hat für mich kein recht mehr, überhaupt noch von gut und böse zu sprechen.
so lautstark tobend und wehklagend eines natürlichen alterstodes zu sterben, wie rilke das in seinem "malte laurids brigge" eindringlich schilderte, ist offenbar unschicklich geworden. statt reale lebensdramen auszuhalten, prosperieren pornographie und horrorfilme.
keine ethik mehr, keine moral, keine nachfrage, was hinterbliebenen, nachfahren zugemutet werden sollte, nur utilitaristischer egoismus pur.
das lebendige scheint generell obsolet geworden zu sein. wenn millionärs-macher jauch tönt, er möge hunde nicht, weil sie auf bürgersteige koten, so gehe ich davon aus, dass, wenn ich meinen hund auf einem stück gras dung führen lasse, er auch hier die plastik-tüte einfordert, die dann im pazifik mit anderem resistenten müll unabbaubar tausend jahre kreiselt. ip

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