Dienstag, 8. März 2011

Machen wir den 8. März (Weltfrauentag) zum gesetzlichen Feiertag

Von Prof. Dr. Luise F. Pusch

Vorbemerkung: Im Frühjahr 2010 bat mich die Fraktion der LINKEN im Hessischen Landtag um ein Gutachten zu ihrem Gesetzentwurf, den Weltfrauentag (8. März) zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Der Landtag stimmte leider dagegen. Das ist natürlich kein Grund, die schöne Idee aufzugeben. Deshalb stelle ich heute zur Feier des 100. Weltfrauentags mein Gutachten ins Netz. Ich hoffe, dass viele den Vorschlag aufgreifen und unterstützen, bis wir es geschafft haben.

Gutachten
Ich befürworte den Antrag der Fraktion der LINKEN im Hessischen Landtag, den Internationalen Tag der Frau zum gesetzlichen Feiertag zu machen.

Begründung:
Frauen sind in Deutschland und weltweit in vielen Bereichen noch immer stark benachteiligt. Einer offiziellen Feststellung der UNO aus dem Jahre 1975 zufolge leisten sie zwei Drittel der Arbeit in der Welt, bekommen dafür 10 Prozent des Lohns und besitzen ein Prozent des Weltvermögens - das dürfte sich bis heute kaum geändert, ja eher verschlimmert haben. Viele ExpertInnen sind überzeugt: “The struggle for gender equality is the single most important struggle on the face of the planet.” (Stephen Lewis, ehemaliger UN-Sonderbeauftragter für AIDS in Afrika.)

Das politische Anliegen, Gerechtigkeit für Frauen herbeizuführen, bedarf m.E. hier keiner weiteren Begründung, die Fakten sind bekannt und überall nachzulesen. Ein gesetzlicher Feiertag für Gerechtigkeit für Frauen könnte einen wichtigen Akzent setzen. Frauen brauchen jede Unterstützung, die sie kriegen können!

Damit ist das Thema frauenpolitisch abgehandelt: Es gibt keinen vernünftigen Grund, der benachteiligten Mehrheit der Bevölkerung die Unterstützung zu verweigern. Auch nicht die symbolische.

Ich möchte das Thema daher feiertagspolitisch angehen:

Wir haben 9 bundesweit geltende gesetzliche Feiertage, 6 davon sind christlich motiviert:
Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, 1. und 2. Weihnachtstag.

Neujahr ist traditionell motiviert, der 1. Mai (Tag der Arbeit) und der Tag der deutschen Einheit sind politisch motiviert.

Es scheint angesichts des massiven Prestigeverlusts insbesondere der katholischen Kirche, massenhafter Kirchenaustritte, leerstehender Kirchen und eines ständig wachsenden Bevölkerungsanteils mit nichtchristlicher Religionszugehörigkeit nicht mehr zeitgemäß, den christlichen Kirchen zwei Drittel der gesetzlichen Feiertage zuzubilligen!

Die sich von der Herrschaft der Kirchen emanzipierende Bevölkerung sollte sich mindestens einen, am besten mehrere Feiertage zur nachdrücklichen Markierung der eigenen, politischen Interessen zurückholen.

Es braucht nicht unbedingt ein neuer Feiertag geschaffen zu werden - damit entfallen sämtliche Argumente, wonach der vorgeschlagene Frauen-Feiertag wirtschaftlich untragbar sei. Der 8. März könnte beispielsweise den Pfingstmontag ersetzen, der dafür ein normaler Arbeitstag würde. In den USA ist der Pfingstmontag - wie überhaupt das Pfingstfest - so gut wie unbekannt; in Italien und Schweden wurde er vor kurzem als Feiertag abgeschafft.

Stattdessen hat Schweden den 6. Juni zum Nationalfeiertag erklärt.

Einen solchen haben wir bereits mit dem 3. Oktober. Er löste den 17. Juni als “Tag der deutschen Einheit” ab.

Der 17. Juni stand für eine große politische Hoffnung, die die Westdeutschen nicht aus den Augen verlieren sollten und wollten. Er hat sicher dabei mitgeholfen, dass dieses Ziel schließlich erreicht wurde.

Ähnlich fungiert in den USA der Martin-Luther-King-Day: Immer am 3. Montag im Januar, nahe dem Geburtstag des US-amerikanischen Bürgerrechtlers (15.1.), erinnert sich die Bevölkerung an das große Ziel “Gerechtigkeit für die Schwarzen der USA” - und damit für alle ethnisch minorisierten Bevölkerungsgruppen.

Der Tag der Arbeit (1. Mai) erinnert an das Ziel “Gerechtigkeit für die arbeitende Bevölkerung”.

Gleichzeitig mit der Internationalen ArbeiterInnenbewegung entstand Mitte des 19. Jahrhunderts die Internationale Frauenbewegung. Ihre politische Bedeutung, Notwendigkeit und Wirksamkeit ist mit der der ArbeiterInnenbewegung mindestens gleichzusetzen, wenngleich die männlich geprägte Geschichtsschreibung dies lange ignoriert hat.

Aber diese ignorante Praxis müssen wir ja heute nicht fortsetzen. Der Hessische Landtag könnte stattdessen ein nachhaltiges und hoffentlich ansteckendes Zeichen setzen.

Für diejenigen, die um das schöne verlängerte Pfingstwochenende trauern würden (sicher sind das ganz viele, ich zähle mich dazu), möchte ich folgenden Trost vorschlagen: Der 8. März wird als beweglicher Feiertag beschlossen; er fällt immer auf den zweiten Montag im März - genau wie die US-AmerikanerInnen all ihre gesetzlichen Feiertage auf Montage gelegt haben.

Hessen kann die Ersetzung des Pfingstmontag-Feiertags durch einen Frauen-Feiertag nicht allein herbeiführen, aber es kann vorangehen, den Feiertag beschließen und sich dann für die bundesweite Lösung „Frauentag statt Pfingstmontag“ einsetzen.


gez. Luise F. Pusch



(mit freundlicher genehmigung der autorin)

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