Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Sonntag, 17. September 2023
Im angestrahlten Blickpunkt: die neue enercity-Zentrale, während Hannovers schönstes Wahrzeichen abgeschaltet ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Donnerstag, 14. September 2023
Besonders das Gastgewerbe ist seit eh und je der Hort des Catcalling und sonstiger Demütigung des Dienstleistungs-Personals.
Hannover. Letztes Jahr hatte ich Einnahmen einer Messe, und dafür musste ich mich der Anmache eines aussetzen, der unbedingt meine Wohnung sehen wollte. Ein anderer nahm seine Macht als „Gast“ wahr und wertete mein Hostel ganz schlecht auf Hostelworld.
Macht das Spaß? Nein.
Allerdings brachte jemand entzückende kleine Geschenke mit, weil ich ihm nur eine Übernachtung einräumte, obwohl zwei zu buchen Pflicht sind: Ein handgefertigtes kleines Kamel und eine goldgefärbte Touristenversion einer ägyptischen Königin auf Papyrus. Ich habe mich sehr darüber gefreut, und der missgünstige Bärtige nebenan ging in die Luft.
Gastgewerbe ist das älteste Gewerbe der Welt. Nicht meine Welt, obwohl ich in meinem gesamten Leben als Autorin nicht so viel gelernt habe, wie in diesen Hostel-Zeiten, aber auch sehr viele ausgesprochen freundliche und interessante, weltläufige Menschen kennenlernte: Über die Wahrheit des Handels auf Messen. Oder die Verliebtheit einer auf weit entfernter Insel, die jetzt nachhause mit Kind+Mann zurückkehrt. Ich wünsche ihr, dass alles gut geht.
Auch schleppte einer ein Mädchen in sein Bett, das seinen Tanga hinterließ, vielleicht eine der Drogenabhängigen aus der Nachbarschaft. Er freute sich diebisch, mein Verbot von Besuchen umgangen zu haben, und ließ im Unterhemd stolz seine Muskeln spielen.
Ich bin es gewohnt, Distanz zu wahren und zu halten, aber
das Gastgewerbe ist halt seit eh und je der Hort des Catcalling und sonstiger
Demütigung des Dienstleistungs-Personals...Wie ja auch Putzfrauen, Kellnerinnen und Pflegerinnen oft zu wenig Achtung entgegen gebracht bekommen... IP
Montag, 11. September 2023
Zimmer zur Untermiete - oder: wie ich erwachsen wurde
Von Ingeburg Peters
Damals gab es kaum Wohngemeinschaften, oder Jugendliche konnten wie heutzutage einfach für immer zuhause wohnen bleiben…
Die Eltern wollten für mehrere Jahre ins Ausland gehen. Der Vater machte einen Besuch bei meinem Arbeitgeber und informierte sich über Volontärsgehalt sowie Kantinenessen, Mutter besuchte die Eltern meines Freundes, um dort ohne mein Wissen und meine Zustimmung sicherheitshalber eine „Verlobung“ einzufädeln.
Dann war ich plötzlich allein, ohne Mutters gemütliches Frühstück und Spaß am Wochenende, aber auch weg von den Spießern der Provinz. Nun mit Redakteuren konfrontiert, die nach dem Besuch des Jazzclubs versuchten, mir Löcher in die Strumpfhose zu bohren.
Mein Untermieterzimmer in der Kollenrodtstraße hatte einen Kohlenofen und eine Glastür. Die Vermieterin kontrollierte mich und öffnete meine Post.
Kurz darauf folgte mir der Boyfriend nach Hannover und besorgte das Zimmer zum Treppenhaus bei Maurer T. Der Form halber hatte er dort auch ein Zimmer ohne Fenster, das er aber nie benutzte. Wir besaßen zwei Matratzen mit Blick auf die Tür und einen Plattenspieler, und wenn wir vergessen hatten abzuschließen, stürzte der volltrunkene Herr T. abends versehentlich in unseren Raum.
Einmal bat ich meinen Freund, ein Brett als Ablage an der Wand anzubringen und er erbrachte diese Leistung auch tatsächlich. Das war es dann allerdings auch, zum Frühstück gingen wir ins Wiener Café, jeden Abend verbrachten wir bei Erich in der Altstadt. Habe dort auf der Eichenbank, an die hohe Verschalung gelehnt, Buch um Buch verschlungen. Die intellektuelle Atmosphäre gefiel mir. Wenn ich aufblickte, sah ich Gesichter, die dann auf den RAF-Fahndungsplakaten prangten...
Einer, der später Funkhausdirektor wurde, wollte mich zwischendurch heiraten und stellte mir einen Bungalow in Aussicht. Der oder das Bungalow reizte mich nicht.
Später bot mir ein Kollege, mit dem ich Minderjährige mich selbstständig machen wollte, ein anderes Zimmer an, wohl um mich aus der Einflusssphäre meines Freundes zu entfernen, noch schrecklicher als das vorige. Durchs Dachfenster kam spärliches Licht, und die zwei Mädchen nebenan lauschten an der Tür. Unter mir wohnende beschwerten sich über das endlose laute Klappern meiner Schreibmaschine. Zuvor hatte ich eine Mitvolontärin von Erich aus angerufen, ob ich das Zimmerangebot annehmen solle. Sie fand es interessant und ich war in einem ziemlich labilen Zustand.
Schließlich fand der „Partner“ (irgendwie erinnert mich das jetzt an die Beatles „She’s leaving home, bye bye, …meets a man from the motortrade…“) ein Zimmer im Rotlichtviertel unweit unseres Büros, da wollte ich aber nicht bleiben, weil ich mich gar nicht aus der Tür traute.
Also mietete er mir ein Zimmer bei einem alten Mann in der Lenaustraße. Schließlich gab es dann im Büro eine Schlafgelegenheit, später wurde eine ganze, aber primitive Wohnung in dem Haus frei.
Irgendwann zogen Leute im Hinterhaus aus, das keine Toiletten, keine Küchen, nichts hatte. Ich begann das Haus zu „sanieren“: Kücheneinbau, Sanitäranlagen, von 36 Fenstern die Hälfte erneuert. Das Programm hält bis heute an.
Gibt es eine Pointe dieser Geschichte? Ich weiß es nicht. Sind wir nicht alle nur Untermieterinnen des Lebens? Jedenfalls habe ich niemals bis ins hohe Alter komfortabel gewohnt, es hätte mich auch nur gelangweilt. All rights reserved