Montag, 17. Februar 2025

Auch wenn sie es behauptet: Die AfD steht nicht auf der Seite der Jüdinnen und Juden!“



Statement des niedersächsischen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens:
Es ist ein Skandal, dass sich die in Teilen anerkannt rechtsradikale AfD in den Räumen des Seesener Jacobson-Hauses mit ihren umstrittenen Thesen präsentieren kann! Dieses Haus ist nicht irgendein x-beliebiges Gebäude, sondern beherbergte einst die jüdische Stiftungsschule, die Israel Jacobson 1801 gegründet hat. Sie stellte ein revolutionäres Konzept des friedlichen Zusammenlebens von Schülerinnen und Schülern verschiedener Religionen und Kulturen aus dem Geist des Judentums dar. Israel Jacobsons Erbe wird bis heute mit Vorstellungen von Toleranz, gegenseitiger Achtung und Respekt vor anderen verknüpft. Diese Schule verkörperte den radikalen Gegenentwurf zu all dem, was 1933 mit den Nazis in Deutschland an die Macht kam. Viele ihrer Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sind im Holocaust brutal umgebracht worden.
Und nun tagt hier jene Partei, die es nicht fertigbringt, einen wirklichen Trennungsstrich zu den Traditionen von 1933 zu ziehen.  Man muss sich immer wieder klarmachen: Die Ermordung von mindestens 267 Angehörigen dieser Schule wäre für sie lediglich ein „Vogelschiss“ gewesen - nicht weiter der Beachtung wert. Und man muss ebenso sehen: Es ist auch jene Partei, die von der großen Masse der überzeugten Antisemitinnen und Antisemiten in Deutschland gewählt wird, wie alle entsprechenden Umfragen immer wieder belegen. Wer sie wählt, wählt Antisemiten! Die AfD versammelt sehr bewusst all diejenigen, die sich von den Traditionen der Nazizeit gerade nicht distanzieren und am besten eine jede Erinnerung an die Schoa abschaffen wollen.
Es ist jene Partei, der ein Mann wie Björn Höcke angehört, der in alter Nazi-Fasson offen dafür wirbt, dass die Partei moralische Skrupel ablegen wird, wenn sie an die Macht kommt, um ihre Ziele der radikalen Verwüstung Deutschlands durchzusetzen. Dazu zählt die Deportation von Millionen von deutschen Staatsbürgerinnen und -bürgern, vornehm Remigration genannt, um die angebliche Überfremdung Deutschlands zu stoppen und die völkische Reinheit des Landes wiederherzustellen. Das träfe dann vor allem Migrantinnen und Migranten sowie Musliminnen und Muslime, die als die Träger des Bösen überhaupt angesehen werden. Aber es würde niemanden wundern, wenn sich solche Maßnahmen dann eines Tages auch auf Jüdinnen und Juden als diejenigen beziehen würden, die in der völkischen Sicht der Nazis den Gegensatz zu der deutschen Herrenrasse bilden. Ja nicht nur, dass dies dann niemanden mehr wundern würde. Nein: diese vollkommen unmenschliche Folge liegt in der zwanghaften Logik der Ideologie dieser Partei! Ich fürchte, dass über kurz oder lang dann auch Jüdinnen und Juden aus Russland, die sich in Deutschland ein neues Zuhause aufgebaut haben, womöglich wieder zurückmüssten. Wer kein völkisches Deutschland will, mit all den Folgen, die das hat, der muss den Aufstieg der AfD stoppen! Jeder, der diese Partei wählt, kann wissen, was es bedeutet, wenn sie an die Macht kommt!
Nein: die AfD gehört nicht in dieses für Demokratie, Liberalität und Toleranz stehende alte Schulgebäude. Sie gehört in überhaupt keine jüdische oder andere Schule! Sie mag immer wieder beteuern, dass sie mit Antisemitismus nichts zu tun habe und ihn sogar ablehne. Aber glaubwürdig sind diese Äußerungen nicht, weil sich in ihren Reihen und unter ihren Wählerinnen und Wählern einfach viel zu viele rechtsradikale Menschen finden. Außerdem fällt auf, dass sich das Bekenntnis von AfD‘ lern gegen den Antisemitismus oft schon im nächsten Satz in reinste radikale Diffamierung von Migrantinnen und Migranten sowie Musliminnen und Muslimen wandelt. Nein: Die Haltung gegen Antisemitismus ist nicht ernst gemeint, sondern stellt nur eine taktische Finte dar, um umso besser gegen die liberale und weltoffene Gesellschaft hetzen zu können!
Und so ist auch die Möglichkeit, in der ehemaligen Schule von Israel Jacobson zu tagen, für die AfD eine willkommene Gelegenheit, sich mit etwas Jüdischem zu tarnen, um umso ungehemmter andere verleumden zu können. Es ist dies ein Teil jener gezielten Strategie der gezielten Verwirrung der Begriffe und der geschichtlichen Sachverhalte, mit der sich die AfD in den gesellschaftlichen Debatten durchsetzen will. Hitler war demnach angeblich politisch links und Israel Jacobson wahrscheinlich ein Vorläufer der AfD. Alle Linken wären damit Nazis und die Opfer der Schoa würden nun Mitglieder dieser Partei werden, wie man kürzlich hören könnte. Wer so die Tatsachen verdreht, für den ist es nicht mehr weit zu proklamieren, dass Krieg Frieden und Frieden Krieg sei und es nur noch ein Ministerium gibt, in dem die Wahrheit für alle festgelegt wird.
Wir wollen das nicht! Wir werden in all diesen Verwirrspielen einen klaren Kopf behalten und auf nichts hereinfallen. Rechtsradikalismus bleibt Rechtsradikalismus, auch wenn er sich noch so verharmlosend, pro jüdisch und Israel freundlich gibt, wie dies die AfD tut. Nichts davon stimmt! Wir glauben es denen nicht! Und wir lassen es nicht zu, dass sie sich die wertvollsten Erinnerungsorte unserer Kultur aneignen. Die AfD gehört hier nicht her und nirgendwo hin! - Prof. Dr. Gerhard Wegner

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