Montag, 26. Februar 2024

Flughafen


Impressionen zum Jahresanfang von Ingeburg Peters

GlitzerWeihnachten 2023 ging gemütlich vorüber, die verwandtschaftlichen Verpflichtungen wurden erfüllt. Nun schnell TUI Fly buchen, Last Minute, nur Hinflug mit Handgepäck.
Aber die Visakarte war nicht freigeschaltet, also über Opodo ausweichen, da funktionierte es. Fortan wallte allerdings ein Schwall von Opodo-Werbung aufs handy herein, der nur unter größten Anstrengungen auf trickreich versteckten Links und letztlich mit offenen Drohungen wieder abzustellen war.
Das Zuhause füllte sich mit zahlreichen Packenden Momenten, sowie Blumen mit Baumwollfäden, in den Wasserbottich getunkt, versorgen, Leitungen vor Frost schützen, Dokumente zusammenstellen, bis die Nacht herum war. Am nächsten Tag dasselbe mit anderen Notwendigkeiten. Abends schlafen wollend bis 3 Uhr, um dann zum Flughafen zu fahren. Aber nix. Kein Auge zugedrückt. Ein Wecker war gar nicht mehr nötig.
Der Fahrkartenautomat in der finsteren menschenleeren Straße nahm kein Bargeld mehr und eine App hatte ich noch nicht installiert. In der Straßenbahn hockten ein paar Menschen mit ausdruckslosen Gesichtern, die zur Frühschicht fuhren.
Die S-Bahn fuhr nachts an anderer Stelle, darinnen plauderten zwei beleibte aufgeputzte ältere Damen in greller Kleidung miteinander, möglicherweise Dauerurlauberinnen mit Eigentum am Zielort zum Überwintern, die sich über ihre Männer lustig machten: „Und dann habe ich zu ihm gesagt, Und wenn du General wärst...“ Kriegszeiten.  Ein Radsportler stieg schon vor dem Flughafen aus in die Dunkelheit.
Schließlich tauchte das trostlose Areal der Flugzeughallen auf. Im Abfluggebäude angekommen, sind erst einmal endlose Rolltreppen und Fahrstühle zu bewältigen. Dann folgen lange Flutlicht-Gänge, weiter zur Tourismus-Halle X, immer weiter, noch einen Gang entlang. Mit Grünbepflanzungen kann man sich hier nicht aufhalten, es funktioniert auch nicht gut in Innenräumen, wie es schon in der Geldmetropole Frankfurt bei Unternehmen versucht wird, aber dennoch gehen die Pflanzen letztlich ein. Der Pflegeaufwand und die Plastikatmosphäre tun ihr Übriges.  
Es folgte das Prozedere der Kontrolle, Einstecken der Boardingcard mit der richtigen Codeseite, einfädeln in die Warteschlange. Geübte Touristen halten dort bereits alle Devices bereit, ich hatte, übermüdet, und von dem nicht erwarteten Reisenden-Ansturm und den mäandernden Rollbändern irritiert, den Brustbeutel unter meinem Hoody hervorzukramen vergessen, und auch das Tablet im Rucksack belassen, also wurde er mit Badezeug komplett ausgepackt und schließlich von mir in einer abseitigen Ecke wieder zusammengestopft. Dabei hatte ich zuhause schon Scherchen, Messerchen, Flüssigkeiten, die an der Wand kleben könnten, wegen des Flughafen-Terrorismus aussortiert. Ein Zahnstocher wurde nicht entdeckt. Was ich damit alles hätte anrichten können…
Noch zwei Stunden bis Abflug. Vielen fielen die Augen zu, einige waren sicher die gesamte Nacht hindurch aus der Provinz angereist. Auf den allenthalben blinkenden Bildschirmen wechselten Kurzbeiträge über Hochwasser und Dschungelcamp ohne Informationswert. Im duty-free-Shop liebäugelten Männer mit Chivas Regal und anderen Luxusartikeln. Ich hatte meine Wasserflasche vergessen und erwarb eine bunt bedruckte Packung Wasser, die innen mit Alufolie (!) ausgekleidet war…So ein mieser Fake!
Schließlich traf das Boardingpersonal ein. Rollstuhlfahrer wurden mit reichlich weiblichem Personal bevorzugt umsorgt. Die erschöpften Reisenden sehnten sich nach dem sonnigen Ferienparadies, um zu entspannen nach all der organisatorischen Anspannung, gaben sich vermutlich allerlei Illusionen hin. Auch ich.
Jetzt aber fiel mir ein, ob ich wohl gegen Aufgeld mehr Fußfreiheit erwerben könne. Mit meiner optimalen Ökobilanz hatte ich einen leereren Zubringerflug erwartet, der die Weihnachtsurlauber zurückholt, und auch ohne mich an Bord die Luft verpesten würde.
Außerdem hatte ich überhaupt noch kein Quartier gebucht, was ja durch die vielen Buchungshotlines inzwischen praktisch einem touristischen Todesurteil gleichkommt. Selbst in Cuxhaven findet die Individualreisende kaum noch Unterkünfte ohne Vorausbuchung, weil sich das gesamte Gastgewerbe am Tropf, im Prokrustesbett der Buchungsmaschinen befindet. Mit anderen Worten,  jede Menge weiterer Organisation und damit verbundenem Stress lagen noch vor mir.
Derweil diese blassen Mitreisenden betrachten, die mit mir am Zielort natürlich auch bei Sonnenuntergang am Strand zu finden sein würden. Ein alter Ehemann musterte mich eingehend. Fühlte mich so verdammt einsam unter ihnen und schritt spontan mit der Boardingkarte in der Hand einfach Richtung Ausgang. 
Ein Müllmann zeigte mir eine offene Klapptür, durch die ging es wieder leere, endlose, tarantinoesk unheimliche, gruselige Gänge entlang, dieses Mal im Untergeschoss, Richtung S-Bahn, die gespenstisch dort auf Abfahrt nach Springe über Hauptbahnhof Hannover wartete.

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