Etwa
1,2 Millionen Menschen in Niedersachsen haben heute ein Einkommen
unterhalb der Armutsschwelle. Die Armutsgefährdungsquote lag laut
Landesamt
für Statistik Niedersachsen (LSN) im Jahr 2014 bei 15,3 Prozent. Damit
ist fast jeder sechste Niedersachse von Armut betroffen. Für einen
Einpersonenhaushalt lag die Schwelle zur Armutsgefährdung in
Niedersachsen bei 907 Euro, für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen
und zwei Kindern unter 14 Jahre bei 1.905 Euro.
Dieser
Zustand ist ein gesellschaftlicher Skandal. Er darf nicht andauern.
Aktuell erhält jedoch die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich
durch die Flüchtlingssituation zusätzliche Brisanz. Brandanschläge und
offene Gewalt von Rechtsextremen vor Flüchtlingsunterkünften belegen:
Sozial benachteiligte Gruppe können gegeneinander ausgespielt werden und
dieser Konflikt wird auf dem Rücken der Schwächsten,
von Flüchtlingen, ausgetragen. Diese Konflikte sind nur dann zu lösen,
wenn Armut nachhaltig bekämpft wird. Wir fordern deshalb konkrete Verbesserungen für Gruppen mit besonders hohem Armutsrisiko: · Erschreckend
ist die Lage der Arbeitslosen. Ihre Armutsgefährdung stieg von 50 auf
58 Prozent, mehr als jeder zweite Arbeitslose lebt also in Armut.
Niedersachsen
braucht daher einen öffentlichen Beschäftigungssektor („sozialer
Arbeitsmarkt“) für Langzeitarbeitslose mit fairen Bedingungen.
Langzeitarbeitslose sollten bei Kommunen
und Wohlfahrtsverbänden auf freiwilliger Basis zu regulären,
tariflichen Bedingungen beschäftigt werden. Damit wäre
ein doppelter Nutzen verbunden: Zum einen der individuelle Nutzen der
Förderung, der in der Teilhabe an Erwerbsarbeit und dem Ausbau der
Arbeitsfähigkeit der Geförderten besteht und zum anderen der
gesellschaftliche Nutzen, welcher durch zusätzliche, aber
gesellschaftlich relevante Waren- und Dienstleistungsproduktion
gekennzeichnet ist. Diese Beschäftigung muss allerdings zusätzlich und
im öffentlichen Interesse sein, d.h. sie darf reguläre Beschäftigung
nicht verdrängen. ·
Ebenfalls stark von Armut betroffen sind
Alleinerziehende: Haushalte mit einem Erwachsenen und einem Kind
haben eine Gefährdungsquote von 43 Prozent. Um die Situation zu
verbessern, braucht es bessere Arbeitsbedingungen für Alleinerziehende,
bessere Möglichkeiten zu Kinderbetreuung, aber auch
mehr staatliche finanzielle Hilfe für allein erziehende Eltern.
Erwerbstätige Eltern müssen außerdem einen staatlich finanzierten
Lohnzuschlag für den Mehrbedarf durch ihre Kinder erhalten. ·
Dramatisch ist auch die Lage der
Geringqualifizierten. Jeder Dritte von ihnen ist arm. Für
Geringqualifizierte sind die Chancen, einen gut bezahlten Arbeitsplatz
zu bekommen, schlecht. Viele landen in der Arbeitslosigkeit oder müssen
niedrige Löhne akzeptieren. Der Mindestlohn leistet
zwar seit Jahresbeginn einen Beitrag, Lohndumping einzudämmen, dieser
reicht aber nicht aus, um wirkliche Teilhabe am gesellschaftlichen
Reichtum zu gewährleisten. Der Mindestlohn muss perspektivisch so
gestaltet werden, dass er nicht in die Altersarmut führt.
Um die Armutsgefährdung zu senken, muss die Politik aber auch den
Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen stoppen. Außerdem brauchen
wir dringend eine größere Tarifbindung der Unternehmen. Tarifverträge
sind ein Schlüssel für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen
auch für Geringqualifizierte. ·
Es fehlt in vielen Regionen an gutem und bezahlbarem
Wohnraum für alle Menschen in Niedersachsen. Der soziale
Wohnungsbau muss entgegen dem Trend der letzten Jahre wieder deutlich
ausgeweitet werden, um eine flächendeckende Wohnungsnot zu verhindern.
Hier muss das Land auch direkt als Bauträger aktiv werden,
wie das in Österreich der Fall ist. Dort setzt man die staatlichen
Zuschüsse direkt zur Baufinanzierung ein, verzichtet auf teure
Bankkredite und stellt die Projekte unter Gemeinnützigkeit. Die
Wohnobjekte tragen sich also dank der niedrigen Kosten und dem
Verzicht auf eine angestrebte Kapitalrendite selbst, daher kann die
Miete viel geringer ausfallen. Außerdem muss das Programm „Soziale
Stadt“ erheblich ausgeweitet werden. Diese
großen Aufgaben zur Bekämpfung der Armut müssen gemeinsam mit der neuen
Aufgabe, die Flüchtlinge zu versorgen und zu integrieren, gemeistert
werden. Die Haushaltslage
von Bund und Land bietet genügend Spielraum für erhebliche
Mehrausgaben, wenn Schuldenabbau nicht zum Selbstzweck erhoben wird.
Sowohl Mehrausgaben für Flüchtlingshilfe als auch für Bildung und
Sozialpolitik sind möglich. Rechtlich gibt es hierbei kein Hindernis:
auf Landesebene gilt die Schuldenbremse erst ab 2020. Auf Bundesebene
sieht das Grundgesetz ausdrücklich Ausnahmen von der Schuldenbremse für
außer-gewöhnliche Situationen vor. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt,
zusätzliche Mittel einzusetzen, um Armut zu vermindern
und mehr Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Die Unterzeichner: Landesarmutskonferenz Niedersachsen+Caritas in Niedersachsen+ DGB Niedersachsen + Diakonie in Niedersachsen + GEW Hannover+SoVD Niedersachsen + ver.di Niedersachsen-Bremen
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