Dienstag, 29. Dezember 2009

Zum Jahreswechsel an alle StudentInnen: Lasst die Alma Mater wieder erstehen

Von Claudia von Werlhof
(Institut für Politikwissenschaft, Innsbruck)


Soziale Bewegung, Gesellschaft, Bildung und Wissenschaft heute, Bedingungen des Studiums und praktische Konsequenzen



Vor 2 Tagen war ich bei Euch, nachdem Ihr das sowimax besetzt hattet und konnte nur sagen: „Endlich!“ Endlich erlebe ich in Österreich noch eine Studentenbewegung, bevor ich die Universität verlasse.
Inzwischen sehe ich, dass Ihr ja schon einige Erfahrungen mit der Selbstorganisation auf basisdemokratischer Grundlage gemacht habt. Ihr werdet diese Erfahrung auf jeden Fall auch später noch brauchen!

Ich möchte heute 4 Themen ansprechen:
1. Was ist eine soziale Bewegung, was für eine seid Ihr?
2. Was ist die gesellschaftliche Situation heute und wie wirkt sie sich auf die Bildung und die Wissenschaft aus?
3. Was bedeutet das für Eure Studienbedingungen an den Universitäten?
4. Was tun?


1.Was ist eine soziale Bewegung, was für eine seid Ihr?

Nachdem ich während meines Lebens selbst an einer ganzen Reihe von sozialen Bewegungen teilgenommen habe, kann ich eine Definition wagen, die aus 4 Thesen besteht:

These a)
In ihrer Tiefe ist eine soziale Bewegung letztlich eine leidenschaftliche Liebeserklärung an
- das Leben,
- die Suche nach Wahrheit und
- die Selbstverständlichkeit herrschaftsfreier Existenz.

An diesen 3 mangelt es heute ganz offensichtlich:
- Das Leben wird zu einer Art von Laboraufenthalt
- Eine Suche nach Wahrheit findet nicht statt, sondern es geschieht lediglich ein Eintrichtern von „Informationen“, insbesondere solchen zu Verfahrensabläufen („Bildung“)
- Die Selbstverständlichkeit herrschaftsfreier Existenz wird verkehrt in die Unterwerfung unter immer totalitärere „Sachzwänge“ und Hierarchien der Herrschaft sowie eine radikale Fremdbestimmung in der „Megamaschine“ (Mumford) von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.


These b)
Dieser Zustand passt offensichtlich nicht zum Mensch-Sein und zu anderen menschlichen Traditionen, die nun wieder auftauchen: als Erinnerung, als Möglichkeit, als Erfahrung, als Vision und als reale, ja einzig realistische Perspektive.
Es handelt sich um das Wiedererwachen des egalitären Erbes aus unserer basisdemokratischen, lebensfreundlichen und kooperativen Vergangenheit, der Welt der matriarchalen Zivilisation. Sie ist offensichtlich das immer noch vorhandene „Modell“ für Eure Selbstorganisation, die Ihr so selbstverständlich unternehmt!

Aufgrund dieser historischen Verbindung werden soziale Bewegungen nicht gemacht, sondern geboren. Sie stehen damit im Gegensatz zum Krieg, zur Herrschaft, zur Warenproduktion, zum Geld, zur Maschinerie und zum Gehorsam ihnen gegenüber.
In den sozialen Bewegungen wird generell das unterdrückte Mensch-Sein abgelehnt. Die Gemeinschaft der Menschen geht mit solchen Bewegungen schwanger, bis sie herausdrängen, und zwar unabweisbar, unabwendbar, sozusagen „vulkanisch“.
Soziale Bewegungen entstehen ganz und gar gegen den Willen und die Intention der Herrschenden, Machenden und des Gemachten und geben diesen daher Anlass zu einer tiefen Beunruhigung! Denn soziale Bewegungen sind grundsätzlich herrschaftsfeindlich und egalitär.

These c)
Jede soziale Bewegung ist aufgrund ihrer Nicht-Machbarkeit ein Rätsel.
Für die Herrschenden ist sie besorgniserregend, denn sie stellt Herrschaft infrage.
Aber die Bewegung ist auch nicht zuletzt sich selbst ein Rätsel. Als gerade geborene Bewegung ist sie wie ein Kind. Es muss erst einmal am Leben bleiben und sich nach und nach selbst kennenlernen, wachsen, Erfahrungen machen und auszuloten versuchen, in welche Tiefen sie reicht, in welche Höhen und in welche Breiten, wie sie sich ausdehnen und wie sie sich weiterentwickeln kann.
Vor allem muss sie auch lernen, sich vor Bedrohungen zu schützen. Diese bestehen in Versuchen ihrer „Patriarchalisierung“, also ihrer Funktionalisierung für fremde Zwecke und solche der Herrschaft bzw. der „Politik“, und damit ihrer Rückführung in die „Normalität“. So etwas mündet immer in ihre Spaltung.

Wenn also Eure Bewegung eine Liebeserklärung ist, dann doch sicherlich nicht einfach eine an das Geld – oder doch? Denn ich höre viele Geldforderungen, aber ich glaube nicht, dass das Euer „Rätsel“ ist. Es wäre keins. Ihr könntet also fragen:
Was suchen wir wirklich? Und was wollen wir wirklich?
Ich bin z.B. sicher, auch Ihr wollt – wie alle Menschen – geliebt und gebraucht werden, gemeint und gewollt sein von dieser Gesellschaft, und zwar ganz persönlich. Das heißt:
Ihr wollt die Bedingungen für ein Leben in Würde vorfinden bzw. schaffen, wo sie nicht gegeben sind. Denn sie sind nicht gegeben: Von Würde versteht heute – im Neoliberalismus – niemand mehr etwas. Ohne Würde aber nutzen auch die Freiheit und Selbstbestimmung nichts und verkommen zur Freiheit des Stärkeren, sich durch den Sieg über den Schwächeren zu definieren.
Würde bedeutet also, in dem, was jemand ist und möchte, gewürdigt und das heißt anerkannt zu werden und andere genauso zu würdigen und anzuerkennen.

These d)
Die These meiner Zeit als Professorin in Innsbruck war, dass eine Studentenbewegung heute spätestens dann ausbricht, wenn die Leute merken:
- dass sie keine Zukunft haben, selbst als AkademikerInnen nicht. Diese These scheint zu stimmen. Nun geht es darum, sie zu untersuchen.
- Ein Unbehagen ist inzwischen schon in der Schule da, und wenn Ihr auf die Uni kommt, ändert sich immer noch nichts zum Positiven. Warum?
- So spürt Ihr schon lange, dass etwas nicht stimmt, und dass es Euch auch nichts nützt, wenn Ihr Euch – schon wieder – anpasst. Daher wollt Ihr erst einmal Eure Freiheit, nämlich die, Euch umzusehen, Erfahrungen zu sammeln und Euch zu orientieren, bevor Ihr langfristige Entscheidungen trefft. Genau diese Freiheit wird Euch aber nicht (mehr) zugestanden. Warum?

Es ist also zu fragen, was für Euch ein menschenwürdiges Leben wäre und unter welchen Bedingungen es stattfinden könnte.
Sind solche Bedingungen in der jetzigen Gesellschaft – wenn schon nicht vorgesehen – so dennoch erreichbar?
- Reicht dafür heute die Anpassungsbereitschaft aus? Offenbar nicht.
- Ist heute Eure Angst um die Zukunft berechtigt? Offenbar ja.
- Also braucht es eine Bewegung, die sich von Anpassung und Angst befreit, um auszuloten, was an Veränderungen möglich ist, um die Zukunft positiv anzugehen. Das ist vermutlich Eure Bewegung.
Am Ende wird sogar zu fragen sein, inwiefern so etwas wie eine „andere“ Bildung, Uni, Wissenschaft, ja Gesellschaft dafür gebraucht werden!

Diese Fragen sind zu stellen. Denn Eure Bewegung ist ein Resultat der heutigen gesamtgesellschaftlichen Bedingungen, ist eine Antwort auf sie und wirkt auf diese zurück
In einem Wort: Ihr seid konfrontiert mit Eurem Mündig-Werden, also der Entscheidung darüber, wie, mit was für einer Bildung und wofür Ihr Euer Leben gestalten wollt.


2. Was ist die gesellschaftliche Situation heute und wie wirkt sie sich auf Bildung und Wissenschaft aus?

Die bisherigen Analysen der gesamtgesellschaftlichen Situation und die der Bildungs- und Universitätsmisere darin sind mangelhaft und unvollständig. Es wird höchstens die ökonomische Seite gesehen – Stichwort „Bildung als Ware“ oder „Durchökonomisierung“ und „Kommerzialisierung“ der Bildung (Krautz, Kellermann u.a.).
Dabei wird das Resultat „Ware“ aber nicht nach den Bedingungen seiner Herstellung befragt. Was bedeutet es, Bildung als Ware zu organisieren? Wie ist diese Ware entstanden, wie, von wem, warum, für wen und woraus ist sie gemacht worden, und was ist mit ihr dabei geschehen? Was unterscheidet Bildung als Ware von einer Bildung, die nicht Ware ist?

Eine Ware ist etwas Gemachtes, das einstmals lebendig war und uns nun als „ehemaliges“, „geronnenes“ Leben, als etwas Getötetes, eigentlich Totes, entgegentritt (Marx), als eine Form von „Kapital“. Sie ist also in einem Zerstörungs- und Neu-Zusammensetzungs-Prozess, nämlich dem der modernen (Maschinen-)Technik, im Zuge von Industrialisierung und Maschinisierung entstanden. Ich nenne sie das Produkt einer „Schöpfung aus Zerstörung“ (Werlhof 03, vgl. a. Schumpeter).
Dass die Ware also nicht zufällig „leichenhaft“ ist (Bloch), wird allerdings verdeckt von ihrem „Wert“, das ist der Preis, den man für sie bezahlen muss, und der gleichzeitig das „Wertvolle“, angeblich „Bessere“ und „Höhere“ an ihr im Vergleich zur Nicht-Ware darstellen soll.
Eine Bildung, die nicht Ware ist, wäre also im Unterschied dazu eine lebendige, „geborene“ bzw. jeweils hervorzubringende, eine z.B. allein an Euren Bedürfnissen und nicht denen des Kapitals nach Akkumulation ausgerichtete, nicht zerstörte und zerstörende, eine an der Qualität orientierte, angeblich wertlose – aber unbezahlbare! – nämlich jene Bildung, die Ihr wollt und braucht! Es wäre eine Bildung, die frei ist von Verwertungsinteressen und Zerstörungsmethoden, und die allein für eine freie Bildung, eine Bildung in Freiheit geeignet ist.

Deshalb ist Bildung als Ware ein Skandal, und nicht nur, weil mit ihr eine „Ökonomisierung“ und Profitmacherei mit einem der größten Posten im internationalen Geschäftsleben – rund 3 Billionen $ im Jahr weltweit – stattfinden soll.
Es wird also das Wesentliche am Problem der Bildung als Ware meist nicht benannt, nämlich eine dahinter stehende, durchweg die Qualität der Bildung zerstörende Technik. Denn ein weltweites Geschäft mit Bildung kann nur mit einer standardisierten, quantifizierten und in Konserven gepressten Bildung gemacht werden, einer Bildung, die diesen Namen gar nicht mehr verdient, weil sie als Ware nur den Akkumulationsinteressen der Bildungsindustrien entspricht, die deshalb 1995 das Dienstleistungsabkommen GATS der Welthandelsorganisation durchgesetzt haben, das diese Ziele auf dem Wege einer Politik der „Liberalisierung“, Globalisierung und „Privatisierung“ des Bildungswesens zugunsten der Konzerne erreichen will (Mies/Werlhof 1998).
Dabei bleiben die konkreten, lebendigen Bildungsinteressen der Menschen auf der Strecke. Und offensichtlich interessiert es niemanden, dass Bildung dadurch zu einer Karikatur ihrer selbst wird. Warum?

Dazu müssen wir etwas ausholen:
Die Technik der Verwandlung von Dingen oder Lebewesen in Waren kommt aus der Wissenschaft und damit aus der Universität, aus „unserer Uni“. Sie ist deren „vornehmstes“ Produkt seit der Neuzeit. Ihre Methode besteht generell in „Naturbeherrschung“ und „-verwertung“, die in Zerlegung, Quantifizierung, Vermischung und Neu-Zusammensetzung von Natur/Materie/Lebensformen und Lebewesen vor sich geht. Dadurch, dass die in den Prozess eingehende Natur allerdings nicht als lebendig angesehen wird, sondern als toter „Stoff“, fällt von außen gesehen nicht auf, dass hier ein Vernichtungsprozess vonstatten geht. Nur als direkt Betroffene/r ist man mit dem Gewaltcharakter neuzeitlicher Wissenschaft konfrontiert.
Und Ihr merkt es, weil es Euch nun betrifft, Ihr selbst gemeint seid, Ihr aber nicht wisst, was und warum!
Das bedeutet, dass moderne Wissenschaft und Technik heute systematisch auch die Bildung und die Menschen in ihr Räderwerk einbeziehen, nachdem sie schon seit ihrem Bestehen die Welt zerstören, indem sie nach und nach die allgemeine Warenproduktion, „Verwertung des Werts“ und Bildung sowie Akkumulation von Kapital auf immer größere Bereiche und Gebiete der Welt ausgedehnt haben. Von daher wird heute in der Tat Bildung zur Kapitalbildung. Anders gesagt: Wollt Ihr freie Menschen oder zu „Kapital“ werden, also selber zu Waren oder Maschinen?

Die Technikkritik ist das Tabu der wissenschaftlich-technischen Zivilisation der Neuzeit schlechthin. Dass moderne Wirtschaft und Wissenschaft ein Krieg gegen Mensch und Natur geworden sind, ja ein „Kriegssystem“, darf nicht gesagt werden.
Es begann mit der Inquisition. Deren Methode ist nahtlos von den Natur- und dann auch den meisten anderen Wissenschaften, zunächst vor allem der Medizin, übernommen worden und bis heute dieselbe, nämlich die des Experiments: also die Zerlegung und Zerstücklung, also Beschädigung und/oder Tötung der je einzelnen lebendigen Erscheinungen – Mensch, Tier, Pflanze, Element und Mineral – und ihre Vermischung und Neu-Zusammensetzung mit anderen Materien und sogenannten „Roh-Stoffen“ zu Waren, Maschinerie – „System“ – und „Kapital“ (Collard/Contrucci).
Die 600 jährige europäische Inquisition hat dabei den Anfang gemacht, und zwar mit der „Bearbeitung“ der Menschen, in der 2. Hälfte ab dem 15. Jahrhundert speziell derjenigen der Frauen als sogenannten „Hexen“ (Federici). Die Inquisition entwickelte in dieser Zeit die Methoden, um den menschlichen Willen und die menschliche Widerstandskraft zu brechen, um Menschen gefügig zu machen für das Projekt und System neuzeitlicher Herrschaft, Unterwerfung und Ausbeutung in Gestalt des modernen Nationalstaates (Bodin, s. Opitz-Belakhal), des Kolonialismus, der darauf aufbauenden modernen internationalen Ökonomie des Kapitalismus als „Weltsystem“ (Wallerstein), der Integration der Frauen und Kolonisierten als unbezahlten Arbeitskräften („Hausfrauisierung“ der Arbeit, neue Sklaverei; vgl. Mies) und der „Naturbeherrschung“ in Gestalt der Ausplünderung der Natur und ihrer Transformation im Namen des Fortschritts (Merchant) sowie der modernen Kriegführung (Heidelberger/ Thiessen).
Steht demnach eine Art 2. Inquisition ins Haus?
Ja mehr noch. Das Ergebnis moderner Wissenschaft sind der militärisch-industrielle Komplex und die Konzernmacht heute (Chossudovsky) sowie der Bumerang, der uns nun allen auf den Kopf fällt: die beginnende Apokalypse durch die Klimakatastrophe (Gore), die noch gar nicht verstanden, geschweige denn aufgehalten wird. Denn das ginge nur, wenn das Projekt, das zu ihr geführt hat, auf der Stelle aufgegeben würde. Aber wir merken nun alle, dass wir ausnahmslos zu den Betroffenen gehören, indem die Auswirkungen einer mörderischen Wissenschaft nun global sichtbar werden.

Das bedeutet, dass das Ende der Moderne begonnen hat (Werlhof 07, Projektgruppe 09). Denn das Gebot, vor dem welt-zerstörerischen Charakter dieser Zivilisation den Kopf in den Sand zu stecken, anstatt ihn zu erkennen, hält die nun überall bemerkbaren Wirkungen nicht davon ab, in Erscheinung zu treten, nämlich als Krisen auf allen Gebieten: der Ökonomie, also des Geldwerts, der Märkte und speziell des Arbeitsmarktes, das heißt der Waren-Produktion, sowie der knapp werdenden sog. „Ressourcen“ und der Ökologieproblematik, also des Naturverhältnisses, auch im Bereich der Humanökologie, also der menschlichen Befindlichkeit, und schließlich in der Politik, die der Krise per definitionem nicht nur nicht gewachsen ist, sondern sie selbst mit herbeiführt.

Wir müssen uns daher verabschieden von den Versprechungen der Moderne, inklusive der sozialistischen, dass Entwicklung, Fortschritt, Frieden, Demokratie und Wohlstand für immer mehr Menschen der Fall seien oder sein würden, wenn der Weg des wissenschaftlich-technischen Fortschritts weitergegangen wird. Denn das genaue Gegenteil tritt ein, und wir wissen bereits den Grund dafür.
Aus der Utopie des Fortschritts, ein Paradies auf Erden zu schaffen, ist also das Gegenteil, nämlich die Dystopie einer Hölle auf Erden auch hier bei uns im Entstehen.
Und es ist das, was Ihr spürt, wenn Ihr an Eure Zukunft denkt!

Vor allem das Artensterben, das Austrocknen der Süßwasserreservoire und das Ansteigen des Meeresspiegels sowie das Umkippen des Klimas zeigen neben dem Verschwinden der Bodenschätze, ja dem Verschwinden der Welt (Jaeger 08), dass unsere Wissenschaft das total falsche Naturverhältnis hat. Denn das Naturbeherrschungsversprechen der Neuzeit hat – ganz und gar unvorhergesehen – zu einer Natur außer Kontrolle geführt. Unsere Wissenschaft ist somit eine tödliche Wissenschaft.
Das ist die Wissenschaft, die Ihr hier kennen lernt. Wollt Ihr diese Wissenschaft wirklich?

Die Wissenschaft hat neben der Wirtschaft und dem Krieg, ihren „anderen Seiten“, eine echte Zivilisationskrise bewirkt aufgrund der Realisierung ihrer Utopie von einer künstlichen „Neu-Schöpfung“ der Welt durch deren Vernichtung. Dieses Projekt nennen wir inzwischen das „kapitalistische Patriarchat“ (Werlhof 03, Projektgruppe 09), nämlich das „väterliche“ anstatt mütterliche und von „Mutter Natur“ kommende Neuschöpfungs-Projekt der Moderne.
Es ist heute an seine Grenzen gestoßen und als gescheitert zu erkennen. Da aber eisern daran festgehalten wird, solange es nur irgend möglich erscheint, entfernt sich das System immer mehr von noch halbwegs demokratischen Spielregeln und tendiert zu einem Totalitarismus, der seinem System- bzw. Maschinencharakter, dem der neuen „Megamaschine“ (Mumford) entspricht. Denn die Maschine bzw. ein nach ihrem Muster konstruiertes „System“ sind wie das Militär oder der Konzern demokratieunfähig.
Der männliche Schöpfungswahn als Konkurrenzprojekt zur Schöpfung von „Mutter Natur“, den wir seit der Antike, also dem Beginn des Patriarchats feststellen, macht das Leben auf der Erde inzwischen real zunichte. Der dabei seit der Neuzeit wütende „technische Fortschritt“, der die Umsetzung der Utopie des Patriarchats bewirken soll, ist daher kein unschuldiges Projekt menschlicher Neugier per se, oder gar im Interesse eines angeblichen Natur- Telos, sondern schafft bewusst eine anti-zyklische „Gegen“- Natur und -Welt, die nicht zur Erde und ihren Lebensbedingungen passen (Behmann 09).

Daraus müssen wir jetzt Konsequenzen ziehen, ob wir wollen oder nicht. Denn die Umschöpfung der Erde mittels Durchindustrialisierung, -Kapitalisierung, -Maschinisierung und –Ökonomisierung macht nicht nur den Globus kaputt, sondern lässt auch die Menschen, Euch, nicht aus. So, wie die Neuzeit mit der Umschöpfung der Menschen begonnen hat, endet sie auch mit ihr. Und auch Ihr werdet jetzt vermehrt hineingezogen in dieses Projekt, „Humankapital“ oder gar „posthumanes“ Kapital zu werden (Schirrmacher).
Hier reicht also eine Aufklärungsperspektive (Habermas, Ribolits, Liessmann, Menasse) nicht aus, denn diese selbst hat immer wieder die Bedingungen für eine solche Art von Fortschritt geschaffen, propagiert und gegen Kritik verteidigt (Mumford, Sieferle, Noble, Wagner).
Es ist nun an der Zeit, das „Geheimnis“ der Moderne zu lüften, nämlich ihren säkularen Nihilismus dem Leben gegenüber und dessen breit angelegte, quasi-religiös legitimierte „Opferung“ als angeblichem Fortschritt bewusst zu machen.


3. Was bedeutet das für Eure Studienbedingungen an den Universitäten?

Damit sind wir bei Eurer persönlichen Situation und den Euch so bedrückenden Studienbedingungen angelangt. Denn sie sind das unmittelbare Resultat der gesellschaftlichen Entwicklung hin zur immer stärkeren Einbeziehung der ganzen Welt und all ihrer Dimensionen – „Globalisierung“ – sowie der konkreten Menschen selbst in diesen Prozess der technischen Kontrolle, Aneignung, Transformation und Ver-Wertung alles Lebendigen zum Zwecke seiner Umschöpfung zur Ware/Maschinerie/Kapital und seiner profitablen Veräußerung.
Dagegen war die Sklaverei vermutlich ein naives Unterfangen. Denn Ihr sollt nicht nur mit Haut und Haar, sondern auch mit Gefühl und Verstand zum Objekt dieser Entwicklung gemacht werden. Damit würdet ihr vom Subjekt zum Objekt heruntergestuft, ja man verlangt von Euch sogar, dass ihr „aktive Objekte“ (Genth), also bewusste MittäterInnen Eurer eignen Unterwerfung und Einpassung in die moderne, immer umfassender werdende Megamaschine werdet.
Die Wissenschaft will Euch zu „Kunden“, also KonsumentInnen der Ware Bildung und zu ProduzentInnen der Ware Wissenschaft erziehen, nämlich eben jener Wissenschaft als Kapital, die ganz bewusst die Welt und daher auch Euch zerstört.
Insbesondere das Denken scheint hier zu stören, die letzte Freiheit, die wir immer noch haben. Denn Ihr sollt nur so denken, wie es geld-, waren-, maschinen-, befehls- oder eben generell kapitaladäquat und –konform ist und keineswegs anders oder gar darüber hinaus (Werlhof 08). Das Modell dafür ist der Computer, die „Denkmaschine“ (Genth). Ihr sollt ihm nacheifern im bloß binären Denken – 0 oder 1, 1 oder 0 – wie beim Quiz. Wissenschaftliches Denken - zum Quiz verkommen: “Ich denke nicht, also bin ich!“? Die Prothese fürs Denken, der Denkersatz, wird inzwischen zum eigentlichen Denken erklärt.
„Kopf? – Ab!“, das ist offenbar der geheime Lehrplan von Bologna, der praktisch nirgendwo in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert wird. Denn mit dieser Art von Guillotine werdet Ihr Eurer Denkpotenz als der menschlichen Spezialfähigkeit per se enteignet und zum gehirn-gewaschenen, ent-hirnten, bloßen (Roh-)Stoff der Bildungsindustrie und ihrem global „ebenen Spielfeld“, das die Bildungspolitik gerade schafft, zum bloßen „Kapitaldurchleiter“ erniedrigt, der sich möglichst ohne „Restrisiko“ in die Mega-Transformations- und Profit- Maschine einpassen lässt. Hirntod auf Raten! Der „homo oeconomicus-maquina-vacuus“ (nach Greco) sieht seiner Erfindung entgegen, wenn auch nicht seiner Geburt, die „femina“ gleich eingeschlossen. Denn in „Gender-Zeiten“, in denen auch die Mutter technologisch vor ihrer Ersetzung durch Gen- und Reproduktionstechnologien stehen soll (Werlhof 09), ist keine größere Differenzierung in diesem Bereich mehr vorgesehen.

Das Resultat ist jedoch immer noch nicht Eure Karriere, sondern lediglich eine „employability“, eine Art von Verwendbarkeitsnachweis fürs System. Hierarchie und Konkurrenz zwischen Euch sind neben Gewalt und Zwang von oben daher gleich mit von der Partie. Sie gehören zu allen Maschinen-Systemen (Genth). Ihr müsst nur lernen, sie zu lieben – frei nach Orwell – und sich ihnen „mimetisch“ anzuverwandeln (Genth): Denn die Maschine ist das eigentliche Ideal dieser Zivilisation, also auch der Mensch als Maschine.
Das gilt zwar schon seit Descartes im 17. Jahrhundert, wird nun aber erst so richtig „umgesetzt“ und damit angeblich „bewiesen“:
Das ist der Futurismus der Universitäts-Reform, nein, -Deform: Ihr sollt nicht merken!
Und wie viele von Euch glauben bereits, dass die versuchte Abschaffung des Denkens und seine Ersetzung durch „computer literacy“ auch noch „Exzellenz“ bedeutet?!

Ihr sollt den Geisteswissenschaften, dem letzten Reservoir möglichen Denkens, entsagen – sie schmelzen ohnehin schon dahin wie die Gletscher im Klimawandel – und Euch stattdessen in die Fächer der sogenannten „big science“, insbesondere die Management- und Natur-Wissenschaften, einspeisen (Werlhof 05). Das wird Euch – einzig „maschinenlogisch“ gesehen – als vernünftige und rational richtige Entscheidung empfohlen – ich dagegen plädiere für die Besetzung der Versuchs-Labors für Tiere und deren Befreiung als vernünftige und zukunftsweisende Tat!

Indem auch die Bildung heute als Großsystem, also als Bildungsmaschine, auf der Grundlage einer systematischen Warenproduktion geschieht, wird sie in die allgemeine Zerstörung durch industrielle Transformation mit hinein gezogen und wirkt sich entsprechend zerstörerisch aus: auch auf Euch!
Alle scheinbar logischen und vernünftigen Rechtfertigungen dafür gehören daher zur „Banalität des Bösen“ (Arendt), wie es sich heute zeigt.

Zu der Bildung, die Ihr braucht, trägt sie nichts bei, im Gegenteil, sie ist es, die Euch in die Zwangsjacke der Module und Kästchen presst, die heute Euer Studium ausmachen, und die demnächst als englischsprachige Konserven und e-learning die Universitäten von Lehrern und Betreuern, von gemeinsamem Arbeiten und Lernformen, von Büchern und von der letzten Freiheit und den letzten Resten der Demokratie „entlasten“ wird.

So werdet Ihr immer mehr zu den Insassen der Uni als Knast – anstatt zu autonomen und freien, selbstbestimmten, neugierigen jungen Menschen, die sich und die Welt und sich in der Welt suchen, und dies auch tun müssen, damit sie lernen können, wie sie die Welt und ihre eigene Zukunft gestalten und vor allem erst einmal erhalten können.
Denn darum wird es schon sehr bald gehen, ja geht es längst, selbst wenn es manche von Euch noch nicht sehen: um AkademikerInnen und WissenschaftlerInnen, die eine neue, nicht mehr zerstörerische, kooperative, lebensfreundliche, intelligente, von Interessen freie, demokratisch organisierte Wissenschaft weiter führen, wo es sie schon oder noch gibt, und darüber hinaus aufbauen, wo es sie noch nicht gibt!

Ob Ihr es wollt oder nicht, ob Ihr es bereits merkt oder nicht: Eure objektiv gegebene Aufgabe als Bewegung wird es auch heute sein, „über unverstandene Mächte aufzuklären“ (Dutschke in der 68 er Bewegung) und weit darüber hinaus jetzt zusätzlich eine andere, und zwar grundsätzlich andere Wissenschaft zu fordern, in Gang zu setzen, zu betreiben und durchzusetzen – wo immer Ihr auf der Uni oder sonst wo im Bildungsbetrieb, in der Forschung oder in der Praxis seid!
Oder wollt Ihr lieber die Verbrechen der Wissenschaft an Mensch und Natur weiter fortsetzen, an ihnen mitschuldig werden und blindlings zum endgültigen, diesmal globalen Kollaps dieser Zivilisation und des Lebens auf der Erde beitragen?



4. Was tun?

Ihr seid die Generation, der die Lösung der Krisen des 21. Jahrhunderts aufgebürdet werden wird. Das wird nicht mit denselben Mitteln gehen, die diese Krisen herbeigeführt haben (Orr). Deswegen könnt Ihr fordern, dass die Bedingungen und Inhalte Eures Studiums durch Euch und mit Euch als der demnächst verantwortlichen Generation geprüft, revidiert, neu begründet und verändert, wenn nicht vollständig umgewälzt werden.
Die Zeit ist knapp und sie muss gut genutzt werden. Viel Zeit zur freien Orientierung und zum Experimentieren wird Euch auch unter veränderten, freieren Bedingungen angesichts der sich akkumulierenden Krisen nicht bleiben. Ihr müsst schon früher mündig werden als andere Generationen vor Euch.
Aber klar ist: Ohne Freiheiten im Suchen und Entscheiden werdet Ihr aus dem Dilemma der modernen Wissenschaften nicht herausfinden. Deswegen müsst Ihr diese als Erstes erkämpfen. Nur ein freies Studium ermöglicht eine freie Wissenschaft und umgekehrt. Nur eine freie Wissenschaft will ein freies Studium.
Die Freiheit ist aber nicht die einer Freiheit von Verantwortung und zur Bedienung von fremden Interessen. Sondern es ist die Freiheit zur Verantwortung und zur Ausschließung solcher Interessen.
Auch diese möglichen Interessen gehören daher definiert: Solche, die weiterhin dem Leben schaden und die Kooperation mit Mensch und Natur verweigern, sollen nicht mehr wirksam werden können.
Ich weiß, dass das eine wissenschaftliche Revolution, eine Revolutionierung der Wissenschaft und der Universität sowie des Bildungsbegriffs bedeutet. Aber nichts Geringeres ist objektiv von Euch gefordert, ob es Euch passt oder nicht.
Ihr müsst Euch daher auch subjektiv darauf vorbereiten. Und das ist es ja, was Ihr selber wollt, indem Ihr Eure Freiheit und Selbstbestimmung einklagt. Ohne die wird nämlich ohnehin gar nichts möglich sein. Denn die Zeiten für Anpassung sind schon vorbei! Bereits die nächste Zukunft wird von Euch ganz anderes verlangen. Daher: Vergeudet Eure Zeit und Kraft nicht mit der Anpassung an die Maschine, sondern verweigert Euch ihr mit dem Hinweis auf die Verantwortung, die auf uns alle zukommt. Anpassung ist kurzsichtig. Ihr habt den Kopf nicht nur zum Haareschneiden! Also setzt ihn ein, bevor er Euch wirklich abhanden kommt.

Geld fordern ist richtig: Aber Ihr müsst sagen, wofür und wofür nicht (mehr)! Geld allein ist auf jeden Fall zu wenig. Denn Ihr müsst nichts Geringeres als eine neue Zivilisation und ihre Universitäten und Wissenschaften vorbereiten!
Was braucht es dazu an Fertigkeiten und Fähigkeiten, an Wissen, Methoden und Erkenntnissen? Wie kann dadurch das Scheitern der Moderne aufgefangen, überstanden und beantwortet werden?
Eure Zukunft ist nicht ein reduziertes Leben als „Maschinen-Mensch“ (Bammé u. a.), sondern jenseits davon. Diese Leben muss vorbereitet, ausprobiert und eingefordert werden. Zu diesem Zweck müsst Ihr möglichst unverletzt, unverwertbar, unkorrumpierbar und mit allen Sinnen ausgestattet sein: mit Sinn und Empathie, Neugier und Offenheit.
Mit Konkurrenz und immer noch mehr Anpassung an etwas, zu dem es angeblich kein „Draußen“ gibt, die Megamaschine, kommt Ihr heute nirgendwo mehr hin, wo es sich zu leben lohnt.
Das ist der neue Realismus! Die Selbstbestimmung heute ist der Aufbruch aus dem modernen Patriarchat und das Hinter-Sich-Lassen von dessen Schöpfungs- und Zerstörungswahn!
Es ist daher zu fordern: eine Bildung, die der Höhe der Zeit und nicht ihrer heutigen entsetzlichen Tiefe entspricht, eine Bildung, die andere, ja nachgerade umgekehrte Merkmale hat als diejenige, die zur heutigen Zivilisationskrise geführt hat.
Die Erziehung für die Maschine muss als lebensbedrohliche Zumutung zurückgewiesen werden. Der Sinn für die Verantwortung der Wissenschaft muss eingefordert werden.
Das neoliberale Menschenbild des homo ökonomikus-maquina-vacuus muss als obszön abgelehnt werden.
Bildung muss wieder befreien anstatt versklaven.
Eure Denkfähigkeit muss wieder im Mittelpunkt stehen. Sie ist unser Überlebens- und Kulturwerkzeug schlechthin. Der Geist soll wieder wehen an den Universitäten, die er längst verlassen hat!
Dazu muss es raus gehen aus „der Eiswüste der Abstraktion“ (Benjamin), die die neuzeitliche Wissenschaft prägt. Es muss wieder hinein gehen ins konkrete Leben und seine Fragen.
Es gibt viel, viel zu tun. Ihr sollt merken!

Klar ist, dass all dies nur möglich sein wird, wenn die Universität wieder – oder überhaupt – ein demokratisch organisierter Ort ist, an dem alle miteinander in einen Dialog darüber eintreten, wie zu verfahren, was zu lernen, auszuprobieren, zu erkennen und zu tun ist – immer unter der Voraussetzung, dass der Ernst der Zeit begriffen wird.
Es muss daher erst einmal eben diese Ernsthaftigkeit eingeklagt werden:
Die Institute und Lehrenden müssen damit konfrontiert werden, dass Ihr eine neue und andere Wissenschaft und Ausbildung braucht. Die Kriterien dafür müssen aufgestellt und überprüft werden.
Es muss konkret untersucht werden, welche Inhalte, Literatur, Methoden und Lehrende gebraucht werden für ein solches Vorhaben.
Stellen müssen mit entsprechenden Leuten besetzt werden; Forschungen in neue Richtungen gefördert und angegangen werden; Lehrpläne revidiert und für alle geöffnet werden; Ringvorlesungen zu den wichtigen Themen organisiert und (inter)nationale Tagungen einberufen werden.
Denn die Öffnung der Universitäten nach 68 hatte schon einen Schub alternativer Wissenschaft hervorgebracht, der vor allem in den 70 und 80er Jahren eine ungeheuere Welle an neuen Theorien und Methoden hervorbrachte. Daran kann wieder angeknüpft werden. Trotz Neoliberalismus sind anhand einer zunehmenden Globalisierungskritik seit den 90er Jahren ebenfalls neue Möglichkeiten wissenschaftlichen Arbeitens und Erkennens deutlich geworden.
Es gibt weltweit inzwischen in allen Fachdisziplinen neue Ansätze. Alles dies muss gesammelt und gesichtet werden, und die disziplinären Abschottungen müssen aufgehoben werden, weil die heutige Situation überhaupt nicht mehr nur disziplinär verstanden werden kann.
Vielleicht könnt Ihr Gruppen bilden, die erst einmal disziplinär auf die Suche nach Alternativen gehen und dabei an die Grenzen ihrer Disziplinen gelangen. Dann sichtet Ihr das Material, zieht Eure Schlüsse und trefft Euch mit anderen Gruppen, um Euch auszutauschen. Da kann relativ bald etwas Neues entstehen.
Und vor allem: Ihr braucht bei allen diesen Fragen nicht zu warten, dass Eure Forderungen an irgendjemanden erfüllt werden, sondern könnt sofort selber aktiv werden. Das ist das Allerwichtigste.
Wenn Ihr an den Inhalten und Fragen einer neuen Wissenschaft ansetzt, die nicht mehr die Welt zerstört und auf dieser Zerstörung beruht, sondern eine Wiedergutmachung und Kooperation mit Natur und Welt anstrebt, dann kann Euch nichts und niemand aufhalten.

Möge die „Alma Mater“ wieder erstehen und der Geist durch die Universitäten wehen!

Zu guter letzt: Wenn Ihr anfangt, die Megamaschine zu verstehen, dann wird Euch auch klar, wer in dieser Gesellschaft an welcher Stelle der Maschine sitzt und wie Eure Interessen mit denen anderer Gruppen und Schichten in der Gesellschaft korrespondieren oder divergieren. Das wird Euch helfen, Solidaritäten mit Euren Interessen zu schaffen und das im Bewusstsein, etwas außerordentlich Bedeutsames für die ganze Gesellschaft zu leisten.

Von der Politik habt Ihr allerdings zurzeit nichts Gutes zu erwarten. Denn die Politik hat nicht „versagt“, wie manche finden, sondern sie ist der Lakai der Konzerne, die die Megamaschine aufbauen, steuern und für ihre eigenen Interessen funktionalisiert haben.

Daher: Nur von unten wird das Neue kommen – von Euch oder niemandem!




















Bibliografie

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Merchant, Carolyn, 1987, Der Tod er Natur. Ökologie, Frauen und neuzeitliche Naturwissenschaft, München (Beck)
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Mies, Maria und Werlhof, Claudia von (Hg.), 1998 (2003), Lizenz zum Plündern. Das Multilaterale Abkommen über Investitionen – MAI – Globalisierung der Konzernherrschaft und was wir dagegen tun können, Hamburg (Rotbuch/EVA)
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Noble, David F., 1999, The Religion of Technology. The Divinity of Man and the Spirit of Invention, London (Pengiun Books)
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Montag, 28. Dezember 2009

die letzte ur-sache: kakaostuben

zwischen weihnachten und neujahr genieße ich immer wieder gern die summende atmosphäre im einzigen echten kaffeehaus hannovers, den holländischen kakaostuben.
weit entfernt von mövenpick- oder starbucks-logistik trinkt frau mit alten bekannten darjeeling-tee oder wiener schokolade und isst dazu ein seltsames, aber wohlschmeckendes, stück stollentorte.
nicht zu vergessen die unvergleichlichen silvesterkrapfen, oder der schlesische mohnkuchen, den es nur im winter dort gibt.
alles redet und ratscht und man erfährt erstaunliche sachen über die qualität der philosophischen fakultät der universität hannover, wo die letzte ursache des aristoteles im orginalgriechischen text einfach mit männlichem artikel übersetzt wird statt korrekt mit sächlichem und der fehler nach korrektur aus dem auditorium dreist wiederholt wird. männerphantasien halt, nicht wahr, herr mensching?
einige mädchen haben lackierte fingernägel, andere bauchansatz, viele männer sehen intellektuell aus, andere stinkreich.
jedenfalls sehe ich hier das letzte stück hannover-kaffeehauskultur erhalten. lang lebe die inhaber-familie bartels. gaudeamus igitur!

Samstag, 26. Dezember 2009

das himmel-reich des konsums

heiligabend stand vor dem nachbarhaus in der nähe des mülls ein gigantischer plasmafernseher. ich stand staunend davor. wer hatte ihn wohl vor die tür gestellt? eine erzürnte ehefrau, deren gatte einen kreditvertrag für den kauf abgeschlossen hatte? später war er wieder verschwunden. hereingeholt? gestohlen? war er defekt?
jedenfalls für mich anlass zur reflektion der heutigen konsumsituation.
bei kaufland waren lange vor weihnachten die spekulatius-kekse ausverkauft, auch der rotkohl kurz vorm fest. wie ist das möglich in einer welt der just-in-time-netzplan-technik?
des rätsels lösung ist eigentlich bei ein wenig überlegung einfach. weihnachtsgebäck gab es schon ab september. da wurde eine bestimmte los-größe geliefert und wenn die schon vor weihnachten verbraucht war, um so besser. in der zeit wurde ja längst für ostern produziert.
dass einige vielleicht traditionellerweise erst zu weihnachten ihren spekulatius essen wollen, wen kratzt das in der großindustrie?
plasmafernseher und weihnachtsgebäck: man verführt die leute zum konsum und nimmt dabei anderen die lebensgrundlage.

Samstag, 19. Dezember 2009

Das Gedicht zur Finanzkrise

Von Bertolt Brecht

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon -
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war
die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen
triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang
die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch, bei sich? Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte Untergegangen war. Weinte sonst niemand? Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer Siegte außer ihm?

Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?

So viele Berichte.
So viele Fragen.

Montag, 14. Dezember 2009

Händel zu Silvester in der Neustädter Hof- und Stadtkirche

und noch ne konzertankündigung:
könig georg II. stand der sage nach auf, als händels mächtiges halleluja ertönte (zum ersten mal 1742 in dublin), dieses mächtige halleluja in seinem messias, dessen aus bibelzitaten bestehender text damals noch lange als blasphemie empfunden wurde. und seitdem erheben sich immer wieder menschen von ihren stühlen, wenn das erhabene werk erklingt.
auch wer nicht daran glaubt, dass der messias schon gekommen ist, die aufführung in hannover wird ein musikalisches Muss:


Freitag, 31. Dezember um 18 Uhr (Silvester)

DER MESSIAS

Oratorium von Georg Friedrich Händel zum Abschluss des Händeljahres 2009

Meditationen von Stadtsuperintendent i. R. Hans-Werner Dannowski

Aufführung in deutscher Sprache

Anne Bretschneider (Sopran), Claudia Erdmann (Alt), Jörn Lindemann (Tenor), Michael Humann (Bass)

Kantorei St. Johannis, Orchester St. Johannis /Leitung: KMD Lothar Mohn

Eintritt 20 €, 17 €, 15 € (ermäßigt : 14 €, 13 €)

VVK Kirche im Blick

Hörprobe des Halleluja:

http://www.youtube.com/watch?v=m3gd6uCD2FM

Sonntag, 13. Dezember 2009

Blank hat Gutbucket eingeladen

Vorankündigung zu dem New York City meets Hannover-Konzert:

Gutbucket (New York City // Jazz, Rock, all style) und
Blank (Hannover // Alternative Rock)

Montag, 18.01.2010 // 20.00 Uhr // Gig Linden
(Lindener Marktplatz 1, 30449 Hannover)
Eintritt: 10 Euro (ermäßigt 8 Euro);



Gutbucket

Rockiger Progressive Jazz aus New York City

Wenn Gutbucket spielen, dann gibt es eine quirilige, echte "Show", die
ungemeinen Spaß bereitet - was sie bereits drei Mal in Hannover bewiesen
haben. Die vier New Yorker nennen sich selbst "a juke-joint punk-jazz
kerzoom" (frei aus der Comic-Sprache: "eine musiksüchtig machende
Punk-Jazz-Rakete") und tatsächlich geht hier lebhaft und knallbunt die
Post ab! Ihre gute Laune verbreitende Bühnenpräsenz verdeutlicht
insbesondere Saxophonist Ken, der gleich einem Gummiball zur Musik
springt. Auf jeden Fall bietet ihr herausragender, rockiger Progressive
Jazz ein außergewöhnliches Erlebnis. Die entfesselte, sprühende und
mitreißende Energie macht den besonderen Reiz der durchaus legendären
Gutbucket-Konzerte aus.

War die Band bis dato ein "als Rockband kostümiertes Jazzquartett"
(Sonic 01/2004), so hat sich der Vierer inzwischen zur spektakulären
Rockkapelle ausgewachsen, die lässig jegliche Genres in ihre Stücke
einflicht und mit um so bemerkenswerteren Resultaten aufwartet. Wer es
bisher immer verpasst hat: nachdem Sie 2009 Hannover überspringen
mussten, sind sie mit ihrer aktuellen Europa-Tournee diesemal im Gig
Linden zu Gast. Auf ihrer inzwischen 16. Europa-Tournee haben sie ihr
frisches viertes Album "A Modest Proposal" (auf Cuneiform) dabei.

Ty Citerman - guitar; Ken Thomson - saxophone; Eric Rockwin - bass; Adam
Gold - drums

Foto: Natascha Rockwin

Ausführlichere Infos in Deutsch und Englisch zum Download sowie
Hörproben unter
http://www.subtone-concerts.de/setcards/gutbucket.html
www.myspace.com/gutbucket
http://www.gutweb.com/modestproposal/

Live-Filmsequenzen vergangener Touren von der "MS Stubnitz" (Rostock):
http://www.youtube.com/watch?v=e4ZqiDSi69o&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=djxB-yqiOEw&feature=related





Blank

Alternative-Indie-Punk-wasauchimmer-Rock aus Hannover

Die Musik der Hannoveraner Blank ist schnell, einfach, direkt, catchy,
tanzbar und sofort präsent. Überall, wo diese eigensinnigen,
unorthodoxen Alternative-Indie-Punk-wasauchimmer-Rocker auftauchen,
sorgen sie für Überraschung. Ihre selbstproduzierte aktuelle Demo-CD
erntet reichlich positive Kritiken - da tut sich was...

Björn Grote - guitar/vocals; Lars Hansen - bass; Carlo Kallen -
drums/vocals

Foto: Claudia Wonnemann

Horproben unter:
www.myspace.com/blanksucks
www.blank-music.de

Samstag, 12. Dezember 2009

bushido wird alt - MoZuluArt heute, 20 Uhr - Lesung Ute Wieners

während gestern im café glocke um die ecke juliano rossi seinen supersoften swing abließ, enttäuschte einige hundert meter weiter bushido im capitol seine fans, als er nur zwei stunden lang auftrat, und auch seine musikalisch-verbalen rundumschläge etwas gewohnheitsmäßiges angenommen hatten, während man dies bisher viereinhalb stunden bei ihm erwarten konnte. dafür gab es günstigere eintrittspreise, aber dennoch, soviel alkohol konnten sich die mädchen gar nicht reinlitern, um ihre enttäuschung zu ertränken.

Und nun noch der heiße Tipp für heute abend um 20:00 Uhr:
in der Markuskirche in Hannover ein ganz besonderes Konzert zur Adventszeit. Wir haben die Wiener Symphoniker eingeladen, die gemeinsam mit drei afrikanischen Sängern aus Tansania unter dem Titel MoZuluArt ein, von Mozarts Melodien inspiriertes afrikanisches Weihnachtsfest feiern werden.
Hier eine Kostprobe: http://www.mozuluart.at/audio/Bethlehem.mp3

Weitere Informationen finden Sie unter www.mozuluart.at

Also jetzt aber los und in die Strümpfe kommen!!!!!!!!!!!!

Wem MozuluArt zu soft ist: Ebenfalls um 20 Uhr liest Ute Wieners pünktlich im Indiego Glocksee Geschichten aus ihrem vorletzten Leben: Die Welt war voller Feinde. Es gab Nazibullen, Nazifahrscheinkontrolleure, Nazitürken, Naziprolls und eben Naziskins. Man befand sich im Feindesland.."neben Einblicken in eine trostlose Kindheit gibt es jede Menge Punkergeschichten aus dem langweiligen Hannover Anfang der 80erJahre. Danach Punk-Party.

Freitag, 11. Dezember 2009

Mein DVD-Tipp zum Verschenken: Tarkowskij

Bei Icestorm in Berlin (www.icestorm.de)sind die wunderbaren Filme von Andrej Tarkowskij, auch seine frühen Werke, zu bestellen. Dabei ragt besonders "Stalker" heraus, der Film, der das Desaster von Tschernobyl schon vorausnahm.
Ich habe die Filme meinem Nachbarn und Künstler-Freund ausgeliehen, der dazu diese ebenfalls sehr künstlerische Rezension schrieb:
Tarkowskij der Stalker
Vehikel sind nur Vehikel. Ebenso das Medium Film. Der Film ist nicht stumm, sondern beredt. Um jemandem von einem Film zu erzählen den dieser nicht kennt, muss man ihn nicht verstanden haben. Die Oberfläche, das Sinnliche lässt sich berichten. Bilder, Töne, Vorgänge, Worte. In STALKER von Andrej Tarkowskij bleiben die Rollen jede in ihrer Rolle, jede Person kommt nur ihrer Einsamkeit näher. Aber vielleicht findet sich jede Rolle durch wachsende Einsicht besser damit ab. Mystik lässt sich nicht in Machtsysteme integrieren, Anarchie dagegen setzt Archie (Herrschaft) für die Rechtfertigung des An (Gegen) voraus. Verfall ist Geschehen, Veränderung. Nur so bleibt das Bleibende.
Äußerliches wird als beiläufig, als vergänglich demaskiert. Jede Ästhetik würde eine Ideologie transportieren. Hier wird das vermieden; es entsteht eine Atmosphäre rätselhaft wie die Welt, Helden gibt es in diesem Film nicht, allenfalls in dem Sinne, dass auf das Heldentum verzichtet wird. Waffen können in ihrer Wirksamkeit hier in dieser Zone nicht sinnvoll sein. Es geht um mehr als Besitz oder Macht. Jeder wird mit sich selbst konfrontiert, mit dem Sein, im Gegensatz zum Schein.
Kein Film also um sich zu zerstreuen, eher um sich zu sammeln. Eindrücke die in Erinnerung bleiben.
B.H.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Waldersee, die chinesischen Guerillas und die SPD-Stadt Hannover


Zum gestrigen Thema Militär und Hannover noch eine Ergänzung.
Die Straßen des noblen Zooviertels tragen Generals-Namen, schon unangenehm genug.
Aber was dachten sich Rat und Verwaltung eigentlich bei der Straßenbenennung "Walderseestraße" nach Alfred von Waldersee (das Foto zeigt sein Denkmal am hannoverschen Stadtwald Eilenriede, geschaffen von Hoetger), dem Oberbefehlshaber eines multinationalen Truppenkontingents und Anführer des deutschen Strafkommandos, das 1888 zur Niederschlagung des chinesischen Boxeraufstands nach Peking entsandt worden war. Diese zivilen Guerillas wehrten sich gegen die Inbesitznahme durch Ausländer (heute würde man sagen, gegen die Global Players).
Gegen „Widerstandsnester“ der „Boxer“ unternahm er teils blutige Strafexpeditionen und setzte somit die von Kaiser Wilhelm II. in seiner "Hunnenrede" geforderten Vergeltungsmaßnahmen in die Tat um. Man erinnere sich: In der Hunnenrede formulierte der Kaiser erstmals das danach bald "geflügelt" werdende Wort von der "Gelben Gefahr", das jetzt wieder modisch zu werden droht, obwohl China im Vergleich zu den USA nach wie vor der gefesselte Riese ist, die lohngünstige Werkbank der Welt.
1897 wurde Waldersee noch einmal politisch auffällig mit der (erfolglosen) Forderung repressiver Maßnahmen gegen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, von der er meinte, dass sie die größte Gefahr für das deutsche Kaiserreich darstellen würde und forderte, jedoch wieder erfolglos, eine Allianz von Kirche, Bürgertum und Militär, um Deutschland zu retten. 1898 wurde er Generalinspekteur der III. Armee-Inspektion in Hannover, 1900 zum Generalfeldmarschall ernannt.
Die SPD-Stadt Hannover hätte also eigentlich allein schon deshalb wenig Grund gehabt, die lange Straße entlang der Eilenriede nach ihm zu benennen, geschweige denn, was seine an den Chinesen begangenen Kolonial-Morde angeht.

Und damit wir alle nicht vergessen, auf welchem Boden Adolf Hitler gedeihen konnte, hier noch ein kleiner Auszug aus der berüchtigten Hunnenrede Kaiser Wilhelms II.:
Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. Es ist das um so empörender, als dies Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre alte Kultur stolz ist. Bewährt die alte preußischen Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen im freudigen Ertragen von Leiden, mögen Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel […] Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschlands in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen![1]




(verwendet habe ich einige Infos aus Wikipedia sowie des hannoverschen Sinologen und Buchhändlers Ulrich Boese)

Mittwoch, 9. Dezember 2009

militär und evangelische kirche wiedermal hand in hand

vorgestern abend schon ging es düster zu rund um die neustädter hof- und stadtkirche, in der am darauffolgenden tag das heeresmusikkorps ein konzert geben sollte.
in den ecken und winkeln rund um die kirche schlichen bullige männer herum, am rosmarinhof nochmal vier von ihnen, mit taschenlampen die gebüsche ausleuchtend.
am nächsten tag dann trommelten die friedensaktivisten laut und verzweifelt auf kochtöpfen herum und benutzten trillerpfeifen, um das konzert zu stören, während die polizei sie eng eingekreist hielt und die feldjäger und andere in ruhe die kirche betreten konnten.
der gesamte raum drumherum war praktisch abgeriegelt.
nein, das volk liebt das militär nicht. und warum auch, wenn die usa als hegemon innerhalb von 20 minuten jeden punkt dieser welt angreifen kann.
und nur die usa können das, alle anderen sind nur sklaven der wenigen global players, die derzeit die welt regieren, auch unsere soldaten.
die katholische st.clemens-basilika war natürlich wiedermal völlig unbeleckt von derartigem spektakel. die katholen halten sich da fein raus, wo es nur geht, und überlassen die dreckarbeit den evangolen.
denn hannover einschließlich wunstorf ist mit der 1. panzerdivision ein zentralort der einsatztruppen, die von dort nach afghanistan und anderswo ausschwärmen.

Sonntag, 6. Dezember 2009

von negern und weißen sklaven des geldes

abends nach der arbeit lese ich gern in einem antiquarischen buch "selbstzeugnisse" von albert schweitzer. er schildert dort beeindruckend, wie fleißig die "neger" in ihren dörfern waren, wenn es ans turnusmäßige roden ihrer felder ging, oder wenn sie 36 stunden am stück rudern mussten, um einen schwerkranken zu ihm zu bringen. aber auch ihre feste genossen sie ausgiebig und ausdauernd.
die weißen kolonialherren aber, die mit ihren waren fast alle krankheiten erst einschleppten, die zuvor in afrika unbekannt waren, wollten die schwarzen zum arbeiten gegen lohn zwingen. zu dem zwecke verschleppten sie sie tausend kilometer weit, damit sie nicht in ihr dorf zurück konnten. die dadurch depressiv gewordenen legten ihr ganzes verdientes geld in schnaps an, der zusammen mit tabak und tand in den läden der kolonialherren angeboten wurde. auch die superintelligenten unter diesen naturkindern, die komplizierte Rechen- und Schreibarbeiten zu erledigen hatten, zerbrachen an der widersprüchlichkeit ihres neuen arbeitslebens.
erinnert Sie das an etwas? mich schon. unser mercedes-stern wandert gerade nach amerika, die heimische deutsche wirtschaft geht rasant zu boden. wenn Sie verstehen wollen, was noch auf uns zukommt an verelendung, lesen Sie das buch des jahrhunderts der journalistin naomi klein "die schockstrategie".

tipp: am 8. dezember im literatursalon eine abendveranstaltung zum thema gesellschaftliche ursachen von depression.

und nun zur aufmunterung noch ein zweiter kultur-tipp: schauen Sie sich Wagners "rheingold" im opernhaus an, es reicht ein preiswerter platz auf einem der oberen ränge völlig aus. hannover galt schon immer als wagner-hort, aber diese inszenierung des australischen regisseurs Barry Kosky, der dafür jetzt den theaterpreis "der faust" erhielt, ist einfach göttlich. die rheintöchter tanzen als ballett nach art der folies bergère, allerdings mit kräftigen körperproportionen, wotan (tobias schabel) singt göttlich in badehose und einige halb-götter zeigen in bermudashorts mächtige waden, während alberich in einem heavy-metall- shirt der iron-maiden agiert. es kommen auch wichsende neger vor, ja wirklich.
und das thema, der fluch des geldes, ist wiedermal hochaktuell. das zeichnet große kunst ja aus, dass sie im laufe der jahrhunderte immer wieder neu inszeniert werden kann, bei aller aversion gegen wagner, die viele wegen seines anti-semitismus haben.
staatsoper-pressechefin dr. gostomzyk jedenfalls rotierte zur premiere, die international massenhaft angereiste presse zu umsorgen. Hut ab für sie, generalmusikdirektor Wolfgang Bozic, ausstatterin katrin lea tag und intendant dr. michael klügl und das ensemble des opernhauses hannover, das alle Aufführenden aus den eigenen reihen besetzen konnte.
und wie gesagt, keine angst vor wagner, hannovers rheingold ist es gelungen, aus dem macht-thema eher eine komische oper zu machen, trotz originalgetreuer musik und textvorlage. wenn nichts mehr geht, was macht man dann? man lacht ein wenig zur lockerung des zwerchfells.
einige alte stramme wagner-konservative allerdings schlurften verbittert während der standing ovations verfrüht zur garderobe...